Akuter Thoraxschmerz

Embolie, ACS, Aortendissektion?

Bei "akutem Thoraxschmerz" wird häufig an einen akuten Herzinfarkt gedacht. Es gibt jedoch eine Reihe wichtiger Differenzialdiagnosen. Diese schon präklinisch zu bedenken ist therapeutisch und prognostisch essenziell.

Von Dr. Matthias Held Veröffentlicht:

Bei einem 76-jährigen Patienten mit akut einsetzenden Thoraxschmerzen und Luftnot zeigen sich bei Krankenhausaufnahme im EKG Erregungsrückbildungsstörungen mit T-Negativierungen über der myokardialen Vorderwand. Es besteht ein Vorhofflimmern mit tachykarder Herzfrequenz. Die konventionelle Röntgenaufnahme zeigt eine pulmonal-venöse Stauung. Es kommt zu einem kontinuierlichen Anstieg des Serumtroponinspiegels. Echokardiographisch findet sich eine Hypokinesie der Anteroseptalwand, eine sklerotisch degenerativ veränderte Aortenklappe mit Stenosekomponente und eine leichtgradige Erweiterung des rechten Ventrikels. Unter dem Verdacht eines akuten Koronarsyndroms erfolgt eine Koronarangiographie. Dabei wird eine hämodynamisch relevante koronare Herzerkrankung ausgeschlossen. In der Folge lassen sich CT-angiographisch Lungenembolien nachweisen. Retrospektiv wird von einer akuten Lungenembolie mit tachykard entgleistem Vorhofflimmern ausgegangen, das bei bestehender Aortenklappenstenose zu Linksherzdekompensation geführt hat.

Dieser Fall belegt, dass sowohl die klinischen Symptome des akuten Thoraxschmerzes wie auch der akuten Dyspnoe vieldeutig sind und auch die dabei zur Anwendung kommenden Untersuchungsverfahren Befunde zeigen können, die unspezifisch sind und dabei auch in die Irre und zu nicht zielführenden weiteren Untersuchungen führen können.

Der akute Thoraxschmerz findet sich außer bei akutem Koronarsyndrom bei Lungenembolie, Aortendissektion, Pneumothorax, Pleuritis und Pleuropneumonie. Letztere müssen nicht infektiös getriggert sein, sondern können Begleitbefunde ernster akuter Grunderkrankungen darstellen. Insbesondere sind die kardialen Biomarker wie D-Dimer-Spiegel, NT-pro-BNP-, BNP- und Troponin keineswegs krankheitsspezifisch. Zwar lassen erhöhte D-Dimerspiegel vorzugsweise an eine Lungenembolie denken, stellen letztlich aber ein Zeichen einer aktivierten Fibrinolyse bei zuvor aktivierter Blutgerinnung dar und können so auch bei anderen vaskulären auch arteriellen Krankheitsprozessen wie einer Aortendissektion pathologisch erhöht sein.

Erhöhte Serum-Troponinspiegel stellen neben Endstreckenveränderungen im EKG bei Patienten mit Thoraxschmerzen ein Risikomerkmal bei akutem Koronarsyndrom dar, sind aber ebenso in Folge einer ansteigenden myokardialen Wandspannung erhöht und damit auch ein Prognoseparameter bei akuter Lungenarterienembolie. BNP und NT-pro-BNP-Spiegel sind nicht nur bei Linksherzinsuffizienz, sondern auch Rechtsherzbelastung zum Beispiel in Folge einer Lungenembolie erhöht.

Erregungsrückbildungsstörungen finden sich im EKG nicht nur bei akut gestörter Koronardurchblutung, T-Negativierungen können Ausdruck einer Rechtsherzbelastung wie bei Lungenembolie sein.

Die therapeutischen Konsequenzen sind unterschiedlich. Während schon beim Verdachtsfall einer Lungenembolie eine Antikoagulation eingeleitet werden sollte, kann dies bei einer akuten Aortendissektion kontraproduktiv sein. Schon Daten des EMPEROR-Registers konnten 2011 zeigen, dass die klinische Symptomatik bei Patienten mit Lungenembolie nicht spezifisch und diagnostisch zielführend ist.

Neue Daten der Lungenembolienachsorgestudie PHNLE zeigen, dass sich ein Teil der Patienten ausschließlich mit Husten oder Belastungsdyspnoe präsentiert und nur bei 60 Prozent der Patienten präklinisch eine Lungenembolie vermutet wird, bei einigen Patienten eine Tachyarrhythmie oder ein akutes Koronarsyndrom oder Hämoptoe diagnostiziert wird.

Bei den klinischen Symptomen "akuter Thoraxschmerz" und "akute Dyspnoe" sind daher rechtzeitig eine Reihe wichtiger Differenzialdiagnosen zu erwägen und die Laborparameter nicht krankheitsspezifisch zu interpretieren, sondern mit klinischem Verstand im Kontext zu bewerten. Dies gilt auch für weitere Zubringerbefunde wie EKG und Herzultraschallbefunde.

Dieser Beitrag von Dr. Matthias Held, Missionsärztliche Klinik Würzburg, erschien zuerst in der Kongressausgabe der "Ärzte Zeitung" zum 57. DGP-Kongress.

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