Wahlrecht für Beamte

Pauschale GKV-Beihilfe: Koalition in Baden-Württemberg vermeidet das Wort „Bürgerversicherung“

In Baden-Württemberg will die grün-schwarze Koalition geräuscharm die pauschale Beihilfe für GKV-versicherte Beamte auf den Weg bringen. Die SPD verbucht das Vorhaben als Etappensieg auf dem Weg zur Bürgerversicherung.

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Der Gesetzentwurf zur pauschalen GKV-Beihilfe „hilft vielen und schadet niemandem“: Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) im Landtag.

Der Gesetzentwurf zur pauschalen GKV-Beihilfe „hilft vielen und schadet niemandem“: Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) im Landtag.

© Bernd Weißbrod / dpa / picture alliance

Stuttgart. Baden-Württemberg soll das sechste Bundesland werden, in dem Beamte ein Wahlrecht für ihre Krankenversicherung haben. Diese pauschale Beihilfe für die GKV-Beiträge – auch „Hamburger Modell“ genannt, soll im Südwesten ab kommendem Jahr möglich werden. Bis zu 4000 GKV-versicherte Beamte könnten davon profitieren.

Beide Koalitionspartner, Grüne und CDU, vermeiden bei dem Unterfangen peinlich das Wort „Bürgerversicherung“: Die pauschale Beihilfe soll auf keinen Fall zu einem grün-schwarzen Spaltpilz werden. Bei der ersten Beratung des Gesetzentwurfs am 10. November im Landtag wurden die Reden nur zu Protokoll gegeben – dieses liegt erst seit diesem Montag vor.

Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) verkaufte denn auch im Landtag den Gesetzentwurf als „Baustein für mehr Attraktivität des Landes als Arbeitgeber. „Das bewährte System aus Eigenvorsorge und Beihilfe wird um einen weiteren Baustein – die pauschale Beihilfe – ergänzt.

Entlastung um bis zu 300 Euro pro Monat

Dadurch würden freiwillig GKV-versicherte Beamten entlastet, die derzeit bis zu 800 Euro für GKV-Beiträge aus eigener Tasche aufwenden müssten, so Bayaz. Die Entlastung könne sich auf bis zu 300 Euro pro Monat belaufen, so der Finanzminister. Die Kosten des Vorhabens alleine für das Startjahr 2023 werden im Haushalt auf 11,3 Millionen Euro beziffert.

Bayaz attestierte dem Gesetz maximale Harmlosigkeit: Es helfe „vielen und schade niemandem“. Auch der CDU-Abgeordnete Tobias Wald versuchte, rote Linien zu ziehen. Es gehe „ganz und gar nicht um die Einführung einer Bürgerversicherung“. Auch werde „keine vollständige Wahlfreiheit“ zwischen dem „bewährten System der Beihilfe“ sowie einer PKV-Versicherung und der Versicherung in der GKV geschaffen. „Dieser Eindruck wird häufig suggeriert. Das ist keinesfalls zutreffend“, so Wald. Freiwilliges GKV-Mitglied könne man nur werden, wenn die „engen bundesrechtlichen Voraussetzungen“ dafür vorlägen.

Das sah der SPD-Abgeordnete Nicolas Fink grundlegend anders. Er spendete der Landesregierung vergiftetes Lob. Baden-Württemberg reihe sich damit in die Phalanx von Hamburg, Berlin, Brandenburg, Bremen und Thüringen. „Vier von diesen fünf Ländern sind sozialdemokratisch regiert“, in Thüringen regiere man mit, erinnert Fink. Mit der pauschalen Beihilfe nähere man sich „der Idee einer Bürgerversicherung“ und befand: „Die Zweiklassenmedizin in unserem Land muss ein Ende haben.“

FDP als einzige Fraktion auf klarem Gegenkurs

Auf klarem Gegenkurs zur pauschalen GKV-Beihilfe segelte allein die FDP. Der Ansatz, Beamten ein Wahlrecht zu geben, „schafft mehr Probleme, als er löst“, sagte der FDP-Abgeordnete Stephan Brauer. Um 2,5 Prozent der landesweit 160.000 Beamten zu entlasten, müssten jährlich zunehmende Belastungen gestemmt werden, die bis zum Jahr 2060 auf 130 Millionen Euro per annum steigen könnten. Auch gebe es verfassungsrechtliche Probleme, weil die Alimentationspflicht vom Dienstherrn nicht einfach auf Dritte übertragen werden könne.

Was die grün-schwarze Koalition plane, sei der Einstieg in die Bürgerversicherung, der einen Systembruch und eine Insellösung darstelle. Zudem werde Beamten dadurch der Wechsel des Bundeslandes erschwert. Am 2. Dezember wird sich der Finanzausschuss im Landtag mit der Vorlage befassen. Die Verabschiedung des Entwurfs im Plenum wird Mitte oder spätestens am 21. Dezember erwartet. (fst)

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