Mehr Wertschätzung gefordert

„Pflegekräfte machen den Unterschied in der Krankenversorgung“

Pflegewissenschaftlerin moniert die anhaltende Randständigkeit der Pflege in Deutschland. Deren Beitrag zur guten Versorgung werde nicht gewürdigt.

Von Christian Beneker Veröffentlicht:

Hannover. Mit deutlichen Worten hat die Pflegewissenschaftlerin Professor Martina Hasseler beim „3. Versorgungsdialog 2029 – Gesundheit weitergedacht“ der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen in Hannover die fehlende Wertschätzung für die Pflege in Deutschland moniert.

„Die Pflege wird in Deutschland seit Jahren marginalisiert“, sagte sie. Hasseler lehrt als Rehabilitationswissenschaftlerin an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften. „Die Krankenpflege ist nicht der Beruf, der übrig bleibt, wenn man in der Schule nicht aufgepasst hat“, so Hasseler. „Sondern die ausgebildeten Pflegerinnen und Pfleger sind es, die den Unterschied machen in der Krankenversorgung.“

Nach Worten von Hasseler sei der Mehrwert für die Versorgung der Patienten durch fachlich versierte Pflege längst unwiderlegbar. Die Wissenschaftlerin verwies auf Studien, die ihre These belegen. Zum Beispiel Linda H. Aiken et al. (Med Care. 2011 Dec; 49(12): 1047–1053. doi: 10.1097/MLR.0b013e3182330b6e).

Mit mehr Pflegern sinkt Wahrscheinlichkeit zu sterben

Die Autoren haben die Krankenhaus-Versorgung in verschiedenen europäischen Ländern verglichen und festgestellt: Wenn der Anteil professioneller Pflege in einer Einrichtung um zehn Prozent erhöht wird, sinkt für die Patienten die Wahrscheinlichkeit zu sterben um elf Prozent.

Wird aber das Fachpersonal reduziert, steigt die Wahrscheinlichkeit für den vorzeitigen Patiententod um zwölf Prozent. Und wird eine Fachpflegekraft durch eine Pflege-Assistentin ersetzt, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit der Mortalität um 21 Prozent.

„Wir haben in Deutschland weder das beste Gesundheits-Outcome noch die höchste Lebenserwartung, aber eines der teuersten Gesundheitssysteme der Welt“, so Hasseler. „Wir müssen uns Sorgen machen, weil wir in der Pflege nicht an das Niveau anderer europäischer Länder herankommen.“

Eine australische Studie zeige zudem anhand von Patientenakten, dass zusätzliche, fachlich nicht ausgebildete Assistenten bei ihren Patienten Harnwegsinfektionen um ein Prozent wahrscheinlicher machten und Lungenentzündungen um zwei Prozent. Die Zahlen ließen erkennen, dass Pflegehelfer das Personalproblem auf den Stationen nicht lösen.

„Krauses Phänomen“ in Deutschland

„Das alles sind lange bekannte Erkenntnisse aus dem internationalen Raum“, sagte Hasseler. „Aber bei uns finden wir das krause Phänomen, dass wir zwar eine Pflegeausbildung mit Staatsexamen haben, aber der Mehrwert unserer Arbeit immer wieder infrage gestellt wird.“

Es gebe keine Zahlen aus Deutschland, die den Mehrwert durch ausgebildetes Pflegepersonal belegten, so Hasseler. Auch fehlten Beleg dafür, „dass die Relevanz guter Pflege in Deutschland beachtet oder ernsthaft integriert wird“.

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