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Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin: „Ich würde den Hut noch mal in den Ring werfen.“

Sachsen-Anhalts Sozialministerin Petra Grimm-Benne hat nach eigener Sicht gesundheitspolitisch „geliefert“, was versprochen war. Doch dass die Wähler die SPD dafür belohnen, gilt als unwahrscheinlich.

Von Petra Zieler Veröffentlicht:
Viele Parteifarben: Am 6. Juni sind rund 1,8 Millionen Bürger in Sachsen-Anhalt zur Wahl aufgerufen.

Viele Parteifarben: Am 6. Juni sind rund 1,8 Millionen Bürger in Sachsen-Anhalt zur Wahl aufgerufen.

© Foto Huebner/dpa

Magdeburg. Genau 16 Wochen vor der Bundestagswahl wird in Sachsen-Anhalt ein neuer Landtag gewählt. Laut jüngster Umfragen des ZDF-Politbarometers bleibt die CDU auch nach dem 6. Juni stärkste Partei (29 Prozent), gefolgt von der AfD (23 Prozent) und den Linken (11 Prozent).

Da im Land zwischen Arendsee und Zeitz niemand mit den „Alternativen“ regieren will, könnte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) seine Kenia-Regierung in eine neue Legislatur führen. Schafft die FDP diesmal den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde (wonach es derzeit aussieht), könnte auch sie – statt der oder mit den Grünen – in die Regierungsverantwortung einbezogen werden. Wie auch immer: Leicht wird die Regierungsbildung nicht. Wohlweislich hatte der derzeitige Landtag bereits im Vorjahr die Frist zur Wahl des Ministerpräsidenten ersatzlos aus der Landesverfassung gestrichen.

SPD rangiert auf Umfrageplatz vier

Dass die SPD laut Politbarometer auf Rang vier und damit noch hinter den Linken rangiert, bedrückt Petra Grimm-Benne (SPD), Ministerin für Arbeit, Soziales, Integration und zugleich stellvertretende Ministerpräsidentin. Dennoch hofft sie, dass eine bessere Grundstimmung aufgrund von Pandemielockerungen einen positiven Kick für ihre Partei auslöst.

Zu wünschen wäre es der 59-jährigen Juristin, die sich innerhalb der vergangenen fünf Jahre durch Kompetenz und Stringenz Respekt und Anerkennung erworben hat. Sie selbst ist nicht unzufrieden mit dem Erreichten. Auf Gesundheitsebene ist ihr die Umsetzung des Pflegeberufereformgesetzes mit generalistischer Ausbildung und Schulgeldfreiheit besonders wichtig, weil zukunftsweisend. „In Sachsen-Anhalt werden aktuell 15 Prozent mehr Jugendliche für den Beruf ausgebildet als in den Vorjahren. Gerade die Pandemie hat gezeigt, wie dringend wir Nachwuchs in der Pflege brauchen.“

Vom Soll zum Haben wurden in den vergangenen fünf Jahren ebenso das Landeskrebsregister, die sichere Finanzierung des Herzregisters oder der reformierte Krankenhausplan, der auf Spezialisierung ebenso setzt wie auf wohnortnahe Grundversorgung. „Leider konnten coronabedingt einige Verträge mit Trägern nicht festgeklopft werden. Das steht noch auf der Agenda.“

Als Grimm-Bennes Ministerium mit der Verabschiedung des Psychiatriegesetzes im September 2020 alle wichtigen gesundheitspolitischen Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag erfüllt und mit der Landarztquote, die nicht im Koalitionspapier von 2016 steht, sogar übererfüllt hatte, fühlte sich das gut an. „Wir hatten geliefert und gehalten, was versprochen war.“

Petra Grimm-Benne (SPD), Ministerin für Arbeit, Soziales und Integration des Landes Sachsen-Anhalt.

Petra Grimm-Benne (SPD), Ministerin für Arbeit, Soziales und Integration des Landes Sachsen-Anhalt.

© Ronny Hartmann/dpa/picture-alliance

Doch mit der zweiten Corona-Welle kamen im Herbst nicht nur neue Herausforderungen, sondern auch wachsender Unmut. Auch Petra Grimm-Benne wurde für Corona-Leugner und Impfgegner zur Zielscheibe, musste lernen, mit Beschimpfungen und sogar Morddrohungen umzugehen.

Und das in einer Zeit höchster Arbeitsintensität, in der der Kopf auch nachts keine Ruhe gibt und „du immer das Gefühl hast, an deine Grenzen zu stoßen“ – eine hohe Belastung. Petra Grimm-Benne schiebt sie mit einer Handbewegung vom Tisch. „Unsere Leute“, sagt sie, „haben die Aufgaben, die uns Corona auferlegt hat, mit Bravour gemeistert. Egal, ob es um die Verdoppelung der Intensivbetten, Beschaffung von Beatmungsgeräten oder Schutzausrüstungen, Gespräche mit Bundeswehr, THW und Gesundheitsämtern, die Etablierung der Impfzentren und letztlich die Verwaltung der Mangelwirtschaft ging. Hut ab.“

Doch auch falsche Entscheidungen räumt sie ein. „Spielplätze und Kitas hätten wir nicht schließen, Kinder nicht wegsperren dürfen.“ Überhaupt habe sie sich immer besonders schwer getan, wenn sie Menschen erklären musste, wen sie treffen dürfen und wen nicht. Wenig zeitgemäß und oft sogar kontraproduktiv sei die mit der Ministerpräsidentenrunde etablierte dritte Entscheidungsebene zwischen Bundesrat und Bundestag gewesen.

„Praktisch wurden damit die Parlamente auf Bundes- und Landesebene ausgehebelt.“ Es hätte auch keine Notbremse gebraucht, um den Abwärtstrend der Inzidenzzahlen in Sachsen-Anhalt zu forcieren. Die Aufhebung der Impfpriorisierung dagegen sieht die Ministerin als Fehler. „Ellenbogen werden noch mehr ausgefahren, Beziehungen ausgenutzt, vermeintliche Eliten bevorzugt.“

Sicherer Listenplatz drei

Nach Corona wird es viel auszuwerten und aufzuarbeiten geben. Sowohl in Sachsen-Anhalt als auch auf Bundesebene werden das die neu gewählten Parlamente zu stemmen haben. Petra Grimm-Benne, die auf Listenplatz drei ihrer Partei rangiert, wird ganz sicher dabei sein. Ob sie erneut Gesundheitsministerin wird, ist weniger gewiss. „Ich würde den Hut noch mal in den Ring werfen.“

Es steht ja auch noch einiges auf ihrer To-do-Liste. Beitragsfreiheit für Kitas rangiert für die Ministerin ganz oben, zudem müssten deutlich mehr Mittel für Krankenhausinvestitionen bereitgestellt werden. Nicht weniger am Herzen liegt der zweifachen Mutter, die Familie als ihr Hobby bezeichnet, die stationäre Grundversorgung mit Innerer Medizin, Chirurgie und vielleicht auch Pädiatrie im ländlichen Raum.

„Ohne Übernahme der Vorhaltekosten werden wir da nicht weiterkommen. Zumindest auf dem Land brauchen wir eine sektorenübergreifende Finanzierung. Wir erleben jetzt, dass das DRG-System am Ende ist.“ Und wenn dann doch etwas mehr Zeit übrig bleibt, als gerade jetzt, würde sie wieder gern mal walken und im Garten werkeln.

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