ESA-Astronaut Reinhold Ewald

"30 Blutabnahmen, das sah wild aus am Arm"

ESA-Astronaut Reinhold Ewald verbrachte 1997 drei Wochen auf der russischen Raumstation MIR. Mit der "Ärzte Zeitung" hat er darüber gesprochen, wie Schwerelosigkeit den Körper verändert.

Meike Mittmeyer-RiehlVon Meike Mittmeyer-Riehl Veröffentlicht:
ESA-Astronaut Reinhold Ewald war 1997 an Bord der Raumstation MIR. Sein Schwerpunkt waren biomedizinische Tests - vor allem an sich selbst.

ESA-Astronaut Reinhold Ewald war 1997 an Bord der Raumstation MIR. Sein Schwerpunkt waren biomedizinische Tests - vor allem an sich selbst.

© DLR

Ärzte Zeitung: Herr Ewald, wie wurden Sie auf Ihren Flug ins All vorbereitet?

Reinhold Ewald: Zunächst mal wird man einer sehr intensiven medizinischen Untersuchung unterzogen. Das war, vor allem was die Strahlung angeht, schon sehr belastend.

Während der Ausbildung lernt man dann, inwieweit sich die Atmosphäre im Raumfahrzeug von dem unterscheidet, was wir hier auf der Erde atmen und welche Gefahren der Raumflug birgt.

Etwa in Form von Druckschwankungen, die in so einer künstlichen Umgebung immer mal vorkommen können. Und in Form von den allgemeinen Belastungen durch die Schwerelosigkeit.

Wie fühlte sich dieses erste Mal Schwerelosigkeit denn an?

Ewald: Das habe ich schon auf der Erde bei der Vorbereitung erfahren, nämlich bei Parabelflügen. Da ist das Gefühl der Schwerelosigkeit überwältigend, und meine Reaktion war, denke ich, ganz normal: Mir wurde ziemlich flau im Magen.

Mal abgesehen von Fitness- und Belastungstests: Wie sah die medizinische Vorbereitung aus?

Dr. Reinhold Ewald

'30 Blutabnahmen, das sah wild aus am Arm'

© Galuschka / dpa

Dr. Reinhold Ewald, geboren 1956 in Mönchengladbach, studierte Physik an der Universität Köln mit Fachrichtung Experimentalphysik. Sein Nebenfach war Humanmedizin.

1987 wurde Ewald wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Vom 10. Februar bis 2. März 1997 war Ewald an Bord der MIR, seine Schwerpunkte waren vor allem biomedizinische und materialwissenschaftliche Experimente.

Ewald: Wir haben zum Beispiel geübt, wie man kleine Wunden näht, aber etwa auch den Umgang mit einem Tonometer zur Messung des Augeninnendrucks. Bei jeder Mission werden aber auch immer noch sogenannte Crew Medical Officers ausgebildet. Das heißt, mindestens zwei Besatzungsmitglieder sind besonders intensiv medizinisch geschult.

Ich habe vor meinem Flug die Lizenz zum Legen von Zugängen gemacht. In den drei Wochen habe ich zwischen 20 und 30 Blutabnahmen an mir selbst durchgeführt. Das sah schon wild aus am Arm. Bei diesen biomedizinischen Experimenten haben wir einige spannende Erkenntnisse gewonnen.

Zum Beispiel?

Ewald: Wir haben über die drei Wochen ein sogenanntes "Metabolic Ward in Space" vorgenommen. Das heißt, sämtliche von mir aufgenommene Nahrung und Flüssigkeiten wurden registriert. Dabei haben wir festgestellt, dass sich das Salz in meinem Körper ansammelte.

Interessanterweise bildet sich eine Schicht unterhalb der Haut, die Salz speichert. Diese Schicht hat offenbar einen großen Einfluss auf die Blutdruckregulierung.

Auf einmal öffnete sich eine ganze Kette von bisher unverstandenen Effekten im Körper, die mit Salz zu tun haben. Heute ist das eine sehr rege Forschungslandschaft.

Sie haben bei Ihrer Mission 1997 an Bord der russischen Raumstation MIR eine Notfallsituation erlebt. Was genau war passiert?

Ewald: Bei uns an Bord brach 14 Tage nach unserer Ankunft ein Feuer aus. Nach etwa einer Stunde Brandbekämpfung blieben wir - sechs Mann - mit einer komplett verrauchten, fast undurchsichtigen Atmosphäre an Bord zurück.

Wir hatten einen ausgebildeten Arzt an Bord, den NASA-Astronauten Jerry M. Linenger. Der ist sofort sein ganzes Notfall-Spektrum durchgegangen: Welche Sensoren haben wir an Bord, um schädliche Gasbeimischungen zu erkennen?

Da ist man natürlich schon dankbar, wenn jemand da ist, der mit dem Kopf eines Arztes die Checkliste durchgeht. Er hat sein Intubationsbesteck gleich bereitgelegt.

Wäre also jemand mit Vergiftungen kollabiert, wäre Erste Hilfe gewährleistet gewesen. So weit ist es zum Glück aber nicht gekommen.

Und was macht man da oben bei weniger gravierenden Erkrankungen - zum Beispiel, wenn man einfach mal einen Schnupfen hat?

Ewald: Natürlich hat man da oben eine Apotheke, um bei Unwohlsein ein unterstützendes Mittel nehmen zu können. Was wir zum Beispiel gemerkt haben, war, dass wir kleine Hautirritationen gar nicht wegbekamen.

Jeder kleinste Kratzer wurde deshalb sofort mit antiseptischen Mitteln behandelt. Was ja dafür spricht, dass das Immunsystem da oben irgendwie langsamer reagiert. Gerade im Immunbereich gibt es also noch viel Forschungspotenzial.

Wie schwer war es, sich nach der Rückkehr auf die Erde wieder an die Schwerkraft zu gewöhnen?

Ewald: Man merkt, dass man sich bewusst machen muss, Sachen festzuhalten und aktiv gegen die Erdschwerkraft anzuarbeiten. Ich hatte davor 40 Jahre meines Lebens in der Schwerkraft verbracht, und drei Wochen im All sind genug, um meinen Körper komplett umzuprogrammieren. Das finde ich schon faszinierend.

Lesen Sie dazu auch: Weltraumarzt berichtet: Wenn Astronauten im All krank werden

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