Gaza-Krieg

Ärzte werfen Israel "Massaker" vor

Der Gaza-Krieg ruft zahlreiche Kritiker auf den Plan: Jetzt haben Ärzte die israelische Offensive mit scharfen Worten kritisiert. Jüdische Mediziner in Deutschland sind entsetzt. Sie werfen ihren Kollegen Realitätsverlust vor.

Veröffentlicht:
Angriff auf Gaza: Die Militäroffensive löst Zorn aus.

Angriff auf Gaza: Die Militäroffensive löst Zorn aus.

© Ibrahim Khader / Pacific Press / picture alliance

NEU-ISENBURG. Über 20 Ärzte und Wissenschaftler aus Großbritannien und Italien haben scharfe Kritik am Staat Israel wegen des anhaltenden Kriegs im Gazastreifen geübt. In einem am Dienstagabend veröffentlichten Offenen Brief fordern sie die israelische Regierung auf, die militärischen Angriffe zu beenden (The Lancet 2014; online 22. Juli).

"Wir sind erschüttert von dem militärischen Sturm auf Zivilisten in Gaza unter dem Vorwand, Terroristen zu bestrafen", schreiben sie und bezeichnen die Militäroffensive gegen die Hamas als "Aggression".

Jüdische Mediziner in Deutschland reagierten schockiert auf den Brief. Sie seien "sprachlos und entsetzt", sagten Vorstandsmitglieder des Bundesverbands Jüdischer Mediziner der "Ärzte Zeitung". Der Brief verkenne die Realität. Ihre Namen wollen sie wegen der derzeit "angespannten Situation" nicht in der Zeitung lesen.

Israels Militär hatte die "Operation Protective Edge" im Gazastreifen vor knapp drei Wochen gestartet, unter anderem als Antwort auf die Tötung von drei Jugendlichen und den anhaltenden Raketenbeschuss seitens der Hamas auf israelische Städte.

Seither ist die Zahl der Todesopfer im Gazastreifen nach palästinensischen Angaben auf über 600 gestiegen. Rund 4000 Menschen seien verletzt worden, hieß es. Auf israelischer Seite kamen bislang rund 30 Soldaten und zwei Zivilisten ums Leben.

Es sei nicht zu akzeptieren, dass Israel "politische Parteien auslöschen" wolle (sic!), weil sie sich der von Israel auferlegten Besatzung und Blockade widersetzten, beklagen die Autoren des Offenen Briefs. Kritik an der Hamas üben sie hingegen nicht.

Die im Gazastreifen herrschende Hamas nimmt immer wieder israelische Orte mit Raketen und Mörsergranaten unter Beschuss. Hamas-Kommandos dringen zudem durch Tunnel auf israelisches Gebiet vor, um dort Anschläge zu verüben.

In Israel wird die Militäraktion daher als Akt der Selbstverteidigung angesehen. Dies bezeichnen die Autoren als reine "Maskerade eines Massakers" und "perverse Propaganda". Durch den Krieg stürben vor allem unschuldige Kinder und Frauen in Gaza.

Zudem habe die vormalige Blockade des Gazastreifens durch Israel dort zu großer Not geführt, unter anderem bei der medizinischen Versorgung. Die Autoren werfen der israelischen Regierung vor, mit dem Krieg eine "wachsende palästinensische Einheit" verhindern zu wollen.

Jüdische Mediziner werfen den Unterzeichnern hingegen vor, den "Bezug zur Realität" verloren zu haben. Kein Wort werde in dem Brief "über die Angriffe der Hamas auf Israel" verloren, sagten Vorstandsmitglieder des Bundesverbands Jüdischer Mediziner der "Ärzte Zeitung".

Kein Wort werde über den "wiederholten Abbruch der Waffenruhe" verloren, kein Wort über "die menschenverachtende Haltung der Hamas, ihre eigene Bevölkerung als menschliches Schutzschild zu missbrauchen". Tatsächlich gibt es Berichte, wonach die Hamas von Einrichtungen wie etwa Krankenhäusern Raketenangriffe startet.

Die jüdischen Ärzte hierzulande fragen sich: "Wo bleibt die Verantwortung der Hamas für diesen Krieg?" In dem Brief sei keine Rede davon, kritisieren die Mediziner. "Es wurde dreimal ein Waffenstillstand aus humanitären Gründen ausgerufen. Israel hat sich daran gehalten, die Hamas nicht. Sie hat weiter Raketen auf die israelische Zivilbevölkerung abgefeuert", sagte eine Ärztin.

Auch von einer Blockade des Gazastreifens könne keine Rede sein. Denn noch immer sei es offenbar möglich, viele Raketen, Munition sowie Baumaterial für die Tunnel nach Gaza zu schaffen, monieren die Ärzte.

"Wer sich massenhaft militärisches Material kaufen kann, dem mangelt es nicht an Geld", sagte ein Vorstandsmitglied. Doch statt in Krankenhäuser zu investieren, gebe die regierende Hamas das Geld lieber für Raketen aus. Sie habe deswegen die Verantwortung für die Not der Palästinenser und die miserable medizinische Versorgung im Gazastreifen.

Anders als von den britischen und italienischen Autoren beschrieben, sei es sogar so, dass israelische Einrichtungen die Defizite im Gazastreifen kompensierten. "Die Bevölkerung in Gaza und der Westbank wird kostenlos in israelischen Krankenhäuser behandelt - und das seit Jahrzehnten", erklärte eine Ärztin des Bundesverbands.

Die jüdischen Ärzte werfen den Autoren des Offenen Briefs vor, sich von der "Propaganda der Hamas" einspannen zu lassen. "Lassen Sie sich nicht weiter dafür missbrauchen", appellieren sie an ihre Kollegen. (nös)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Dipl.-Psych. Jörg Dreher 24.07.201409:28 Uhr

Kann man wirklich hunderte Kinder mit Bomben zerfetzen um dann zwei Jahre keine Tunnels zu haben !!!!!

Die israelische Regierung hat dies ja selbst als realistischen Ziel des Krieges genannt,dass man zwei Jahre keine Tunnels hat, zwei Jahre keine Raketen von der Hamas. Dafür hunderte Kinder mit Bomben zerfetzen. Wo sind wir eigentlich ! Unsere Steuergelder finanzieren das israelische Militär mit, wir bezahlen die Rechnungen für die U-Boote. Unsere Politiker stützen die Militäroffensive der Israelis bedenkenlos, nur aus schlechten Gewissen aus der Vergangenheit.
Der Hintergrund ist doch auch der, dass die israelische Regierung seit Jahren Nichts, aber auch Gar Nichts für den Frieden getan hat, siehe die aggressive Siedlungspolitik. Die Unterdrückung der Palästinenser wird von unseren braven deutschen Politikern auch mitgetragen. Netanjahu und seine Politik ist das eigentliche Problem in Israel und unsere Politiker, die alles mittragen.

Armin Reitz 24.07.201408:09 Uhr

Frauen und Kinder zuerst

So hieß es früher bei RETTUNGSAKTIONEN AUF DEM SCHIFF:
HEUTE BENUTZT DIE HAMAS FRAUEN UND KINDER ALS SCHUTZSCHILDE FÜR IHRE RAKETENABSCHUSSRAMPEN

<< < 1 2 > >>
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Eine schwierige Entscheidung

Schlaganfall: Das sind Grenzfälle der Thrombolyse

Lesetipps
Sieht lecker aus und schmeckt — doch die in Fertigprodukten oft enthaltenen Emulgatoren wirken proinflammatorisch. Ein No-Go für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

© mit KI generiert / manazil / stock.adobe.com

Emulgatoren in Fertigprodukten

Hilfreich bei Morbus Crohn: Speiseeis & Co. raus aus dem Speiseplan!

Checkliste Symbolbild

© Dilok / stock.adobe.com

Auswertung über Onlinetool

Vorhaltepauschale: So viele Kriterien erfüllen Praxen laut Honorarvorschau