Interview

Das kommt auf die Geretteten im thailändischen Höhlendrama zu

Völlige Dunkelheit — und die Todesangst immer mit im Raum: Beim Höhlendrama haben zwölf Jugendfußballer und ihr Trainer eine extreme Grenzerfahrung erlebt. Was sich in ihrer Psyche wohl abspielt und wie sie nach einer Rettung versorgt werden, erklärt ein Kinder- und Jugendpsychiater.

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Bunte Schirme verhindern den Blick auf einen Helikopter, der die aus einer Höhle geretteten Jungen und ihren Trainer in ein Krankenhaus fliegt.

Bunte Schirme verhindern den Blick auf einen Helikopter, der die aus einer Höhle geretteten Jungen und ihren Trainer in ein Krankenhaus fliegt.

© Sakchai Lalit/AP/dpa

MÜNSTER/BERLIN. Mehr als zwei Wochen waren zwölf thailändische Jungen und ihr Betreuer in einer Höhle eingesperrt. Ohne zu wissen, ob sie jemals wieder lebendig herauskommen. Der Kinder- und Jugendpsychiater Georg Romer erläutert, was diese Situation für die Kinder bedeuten kann.

Was bedeutet es für ein Kind, so lange in einer Höhle eingeschlossen zu sein?

Georg Romer: Es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, dass das für diese betroffenen Kinder eine extreme Grenzerfahrung darstellt. Die wissen seit vielen Tagen nicht, ob sie da lebendig wieder rauskommen, und werden damit in ihrer psychischen Verfassung auch extrem erschüttert sein. Wobei es ganz individuell unterschiedlich sein kann, ob davon im Nachklang eine dauerhafte seelische Traumatisierung zurückbleibt oder nicht.

Welche Faktoren wiegen in einer solchen Situation am schwersten?

Romer: Alles wirkt zusammen. Es ist ein fremder Ort. Er ist dunkel, er ist kalt. Es gibt nichts zu essen und nichts zu trinken. Alle Vitalbedürfnisse des Körpers sind bedroht und in Frage gestellt. Das alles überschattet natürlich die Todesdrohung, die Angst da nicht mehr lebend rauszukommen.

Wovon hängt es ab, wie sehr ein Kind durch so eine Erfahrung belastet wird?

Romer: Die Frage, wie traumatisiert jemand durch ein solches Erlebnis wird, hängt unmittelbar damit zusammen, wie die Verarbeitung gelingt. Die Grundausstattung im Sinne des Nervenkostüms jedes einzelnen Kindes spielt eine Rolle. Wichtig ist, wie stark das Fundament des Grundvertrauens in die Welt ist. Danach spielen die Umstände der Rettung und wie schnell man wieder in ruhige, geordnete Bahnen kommt, eine Rolle.

Wie unterscheiden sich Kinder hier von Erwachsenen?

Romer: Selbstverständlich sind erwachsene Menschen, die vielleicht schon die eine oder andere erschütternde Krise in ihrem Leben gemeistert haben, allein durch diese Erfahrung schon etwas stärker aufgestellt. Auf der anderen Seite können Kinder und Jugendliche noch mit einem so gesunden Schuss Urvertrauen in die Welt ausgestattet sein, das sie gerade stark macht. Alles kann in die eine oder andere Richtung unterschiedlich sein.

Was ist direkt nach der Rettung besonders wichtig?

Romer: Ganz entscheidend ist unmittelbar nach einer Rettung die Erste Hilfe auch im Sinne psychotherapeutischer Erster Hilfe. Es muss den Kindern ganz klar vermittelt werden, dass sie an einem sicheren Ort angekommen sind und schnellstmöglich abgeschirmt werden.

Dass sie eine warme Decke, zu essen und zu trinken bekommen und mit ihren nächsten Angehörigen so schnell wie möglich vereint werden. Dass sie sofort in geordneten Verhältnissen sind und sie ihre nahen Bindungspersonen so schnell wie möglich wieder bei sich haben, kann ganz entscheidend sein für die rasche Erholung der Seele.

Worum sollte es bei der psychotherapeutischen Ersten Hilfe gehen?

Romer: Zum frühestmöglichen Zeitpunkt sollte durch geschultes Personal mit den Kindern gesprochen werden, damit sie ins Reden kommen und in einer Kurzfassung eine erste Orientierung für sich sortieren können. Damit sich gleich mit Sprache eine Ordnung in die Verarbeitung des Geschehens einfädeln lässt. (dpa)

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