Der Schmerz zeigt sich mit vielen Gesichtern

BERLIN (ami). Wundscheren, Pinzetten, Klistierspritzen. Im renommierten Berliner Museum für Gegenwartskunst "Hamburger Bahnhof" reihen sich rund 200 medizinische Instrumente in einer Vitrine dicht aneinander. Wo sich sonst nur Objekte zeitgenössischer Künstler versammeln, trifft für die Ausstellung "Schmerz" Kunst mit Medizin, Religion und Kultur zusammen.

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Deutlich wird dieses Zusammenspiel vor allem in einem Ausstellungs-Raum. In einer Vitrine sammeln sich Votivgaben, Francis Bacons dreiteiliges Gemälde "Crucifixion" nimmt eine Wand fast vollständig ein und im Zentrum steht ein Glasschrank mit Präparaten aus der pathologischen Sammlung Rudolf Virchows.

Die Ausstellung gliedert sich in vier Schwerpunkte

Selten haben die Präparate des berühmten Pathologen bisher das Berliner Medizinhistorische Museum der Charité verlassen. Die ungewohnte Umgebung im Kunstmuseum eröffnet dem Betrachter eine andere Perspektive auf Hirnscheiben, Lebern und Herzen. Die sonst üblichen Erläuterungen an den Präparaten fehlen. Nicht die wissenschaftliche Erkenntnis, sondern die ästhetische Wirkung steht im Mittelpunkt.

Die Ausstellung gliedert sich in vier Schwerpunkte. Während in "Ansichten des Schmerzes" der Schmerz des Anderen und der Umgang mit ihm im Mittelpunkt stehen, ist im "Reiz des Schmerzes" der eigene Körper als Erfahrungsinstanz und Erkenntnisinstrument der ambivalente Protagonist. "Die Zeit des Schmerzes" führt vor, wie sich unsere Vorstellung von Schmerz über die Jahrhunderte hinweg verändert hat. Der "Ausdruck des Schmerzes" schließlich konzentriert sich auf den geistigen und körperlichen Ausdruck von Schmerz: in Worten, Skulpturen, Musik und Präparaten.

Erstmals kooperiert das Wissenschaftsmuseum der Charité mit dem benachbarten Kunstmuseum. Ein Fußweg am Spreeufer verbindet die beiden Teile der Ausstellung. Wie sich Bestände des Charité-Museums im Hamburger Bahnhof wieder finden, so schmücken umgekehrt Kunstwerke das medizinhistorische Museum.

Facetten des Schmerzes werden ausgeleuchtet

Video-Installationen mit schmerzverzerrten Gesichtern, ein Gekreuzigter aus Wachs mit geöffneter Bauchdecke als anatomisches Lehrmodell, Polizeifotos von Schauplätzen sadomasochistischer Unfälle in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts - die Vielfalt der Objekte leuchtet die vielen Facetten des Schmerzes aus. Werke von Albrecht Dürer und Giovanni Batista Tiepolo bis hin zu Joseph Beuys, Bruce Nauman oder Bill Viola zeigen künstlerische Darstellungen von Schmerz früher und heute.

Original-Patenturkunde für Aspirin ist zu sehen

Wie Schmerz durch medizinischen Fortschritt immer mehr von seinem Schrecken verliert, veranschaulichen unter anderem Schmerzfragebögen, die Patenturkunde für Aspirin oder eine Äthermaske. Für die Ambivalenz des Schmerzes stehen die Wundescheren, Pinzetten und Spritzen, da sie zugleich Schmerz verursachen und beseitigen. Zur Ausstellung erscheint ein Begleitband mit Abbildungen der Kunstwerke und Objekte sowie mit 20 Essais, die den Schmerz aus medizinischer und alltäglicher, philosophischer und religiöser sowie wissenschafts- und kunstgeschichtlicher Perspektive beleuchten.

Infos: "Schmerz" - Ausstellung im Hamburger Bahnhof und Medizinhistorischen Museum der Charité Berlin, bis 5. August 2007, Di-Fr 10-18, Sa 11-20, So 11-18 Uhr, Eintritt acht Euro, ermäßigt vier Euro

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