Sterbekultur

Die letzte Reise mit der Harley

Im Motorrad-Gespann zum Friedhof: Ein Bestatter aus Bad Kötzting fährt Sarg oder Urne auf Wunsch mit einer Harley Davidson zur Beerdigung. Eine erste Interessentin hat sich schon gemeldet.

Von Vivian Chang Veröffentlicht:
Eine Harley-Davidson Sportster 883 Low im Freien: Manche Menschen würden auf einer Harley gerne ihre letzte Reise antreten.

Eine Harley-Davidson Sportster 883 Low im Freien: Manche Menschen würden auf einer Harley gerne ihre letzte Reise antreten.

© Andrey Armyagov / stock.adobe.com

Bad Kötzting. Auch ihre letzte Reise können Motorradfans mit einer Harley Davidson antreten. Ein Bestattungsunternehmen aus der Oberpfalz (Bayern) bietet die Fahrt zur Beerdigung mit dem legendären Bike an. Das schwarze Sondermodell mit Beiwagen hat Platz für einen Sarg oder eine Urne. „Es geht darum, den Verstorbenen zu würdigen“, sagt Wolfgang Frisch. Der 55-Jährige ist selbst leidenschaftlicher Motorradfahrer. Seit einigen Wochen steht nun in seinem Geschäft die Maschine mit dem Leichenbeiwagen bereit – eine von ganz wenigen in Deutschland und die einzige dieser Art in Bayern.

Eine Harley Davidson fällt auf, und das Modell von Bestatter Frisch ganz besonders: Im Beiwagen steht unter einem Panoramafenster eine Urne. Umrahmt ist sie von LED-Kerzen und einem silbernen Kreuz. Auf Wunsch können auch der Helm und die Lederjacke des Verstorbenen dazu gelegt werden. Eine erste Interessentin habe sich schon gemeldet, sagt Frisch. Eine Motorradfahrerin aus Stuttgart wolle nach ihrem Tod mit dem Gespann zur Beerdigung gefahren werden.

Pfarrer im Beiwagen

Vor drei Jahren hat Frisch eine Bestattung mit einem Motorradgespann durchgeführt. Damals sei der Pfarrer im Beiwagen gesessen und habe die Urne des Toten gehalten. Die Motorradfreunde seien mitgefahren und später Spalier gestanden. Da habe er sich näher mit dem Thema befasst. Nun hat sich der Unternehmer aus Bad Kötzting (Kreis Cham) eine Bestattungs-Harley gekauft. 100 000 Euro investierte Frisch nach eigener Aussage – inklusive einem speziellen Anhänger, in dem das 2,30 Meter breite Gespann transportiert werden kann.

Es geht darum, den Verstorbenen zu würdigen.

Wolfgang Frisch, Bestatter

In den USA seien solche Bestattungen nicht so ungewöhnlich, berichtet Frisch. Hierzulande sind sie noch eher selten. Das europaweite Patent auf die Fahrzeuge hat Jörg Grossmann aus dem hessischen Neu-Anspach, wie dieser sagt. Er sah 2009, wie ein Mitglied des Rocker-Clubs Hells Angels in Arizona mit dem Bike zur letzten Ruhe gefahren wurde. Das habe ihn auf die Idee gebracht, das auch hier anzubieten.

Fast wie ein Staatsbegräbnis

Sein zweiter Prototyp, damals noch mit einer Kawasaki, habe die Straßenzulassung vom Kraftfahrtbundesamt erhalten. Danach wechselte Grossmann den Job: Der Immobilienökonom wurde Motorradbestatter. Die Kawasaki verkaufte er einem Bestattungsunternehmer in Sachsen und legte sich selbst ein Gespann mit Harley Davidson zu. Ein weiteres verkaufte er nach Berlin und nun eines nach Bayern. Etwa 50 Fahrten mache er pro Jahr, berichtet Grossmann, der privat auch Biker ist.

Für Motorradfreunde sei das eine würdevolle Form der Verabschiedung. Wenn Dutzende oder gar 500 Biker den Verstorbenen begleiten, habe das etwas von einem Staatsbegräbnis. Und wenn alle zeitgleich den Motor ihrer Maschinen anließen, „dann sorgt das für ein Kribbeln im Bauch“.

Die Maschine, die Grossmann nun Frisch verkauft hat, ist extra umgebaut worden, um das Gewicht eines Sarges halten zu können. 900 Kilogramm Zuladung seien genehmigt, das genüge auch für einen Sarg in Übergröße. Fahrwerk und Bremsanlage seien verstärkt und zudem ein Rückwärtsgang eingebaut worden. So lasse sich das sperrige Gespann leichter rangieren, sagt Frisch.

Ihm zufolge wandeln sich Bestattungen seit einigen Jahren stark. Immer weniger Menschen wollten eine klassische Erdbestattung auf dem Friedhof. Stattdessen seien Urnengräber, ein Platz in einer Urnenwand oder in einem Trauerwald gefragt. Auch für spezielle Bestattungen wie mit dem Motorrad seien die Menschen offener, glaubt Frisch.

Eine Einschätzung, die sowohl Jörg Grossmann als auch ein Fachmann des Bestatterverbandes Bayern in München teilen. Immer mehr Menschen befassten sich heute mit der Frage, wie sie beerdigt werden wollen, und legen das für ihre Angehörigen bereits fest. Das mache es den Hinterbliebenen leichter, sagt Grossmann. Jörg Freudensprung vom Bestatterverband findet das sinnvoll. Es gebe auch Bestattungen mit einem Oldtimer oder einer Kutsche. „Wir haben nichts dagegen, sondern finden es toll, dass so etwas möglich ist.“ Und wenn jemand zu Lebzeiten äußert, wie seine Bestattung ablaufen soll, hätten die Angehörigen später das Gefühl: „Wir erfüllen ihm seinen letzten Wunsch.“ (dpa)

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