Schlussverkaufsstimmung: Bis Anfang 1994 kommt es zu 10.000 neuen Niederlassungen aufgrund einer neuen Bedarfsplanung. Deren Folgen wirken bis heute nach und sind eine Ursache für Ärztemangel.

Köln, 29. März 1994. Im Jahr 1993 hat es als Folge der neuen vertragsärztlichen Bedarfsplanung fast 10.000 Neuniederlassungen gegeben.

Unter Berücksichtigung der Praxisaufgaben ist die Zahl der Vertragsärzte einschließlich der ermächtigten Krankenhausärzte in den alten Bundesländern damit innerhalb eines Jahres um elf Prozent auf fast 95.000 gestiegen.

In den neuen Bundesländern ist der Nettozuwachs mit 6,7 Prozent nicht ganz so groß.

Als Folge erwartet der KBV-Vorsitzende Dr. Winfried Schorre einen Verordnungsschub bei Arznei- und Heilmitteln.

Er fordert den Gesetzgeber auf, spätestens im Jahr 1995 die gesetzlichen Budgets für Arzneimittel und Honorare aufzuheben.

Ursächlich für Niederlassungsboom sind die im Gesundheitsstruktur-Gesetz enthaltenen neuen Regeln für die Bedarfsplanung: Zulassungssperren, eine Altersgrenze von 55 Jahren für die Neuniederlassung und die ab 1995 geltende Voraussetzung, dass für die hausärztliche Versorgung eine abgeschlossene Weiterbildung in Allgemeinmedizin, Innere Medizin oder Pädiatrie nachgewiesen werden muss.

Mit den meisten Restriktionen für die Niederlassung hat der Gesetzgeber aber Forderungen aus der Ärzteschaft selbst erfüllt.

Honorarverlust von acht Prozent

Die Konsequenzen sind für die Vertragsärzte bitter: "Der extreme Nettozuwachs wird vor allem im Westen für viele Praxen zu einer Gefährdung ihrer Existenz führen", befürchtet KBV-Chef Schorre.

Der Zuwachs der Gesamtvergütung soll aufgrund der gesetzlichen Regelungen bei drei Prozent liegen.

Bei einem Nettozugang von elf Prozent erleiden die Praxen im Westen nach Schorres Prognose im Durchschnitt einen Honorarverlust von acht Prozent. Das bedeute in der Konsequenz einen Rückgang des Realeinkommens um 17 bis 18 Prozent.

Die Folgen des Gesundheitsstruktur-Gesetzes und der neuen Bedarfsplanung wirken bis heute nach und verursachen in den kommenden Jahren genau das gegensätzliche Problem: Ärztemangel.

Denn die Generation der Ärzte, die sich in den 1980er Jahren und Anfang der 90er Jahre niedergelassen hat, hat nun ganz überwiegend die Altersgrenze von 60 Jahren überschritten und wird damit in den kommenden zehn Jahren in den Ruhestand gehen.

Zugleich vermindert der Gesetzgeber im Jahr 1994 auch die Studienkapazitäten - Wunsch damals aktiver Ärztefunktionäre. Das wirkt freilich erst langfristig.

Eine Fernwirkung ist aber auch, dass die durch Budgetierung und Reglementierung für Ärzte unattraktiv gewordene ambulante Medizin einen wachsenden Anteil von jungen Medizinern gar nicht mehr in die Patientenversorgung, sondern in alternative Berufsfelder oder ins Ausland lockt. (HL)

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