USA

Ebola-Fall in Dallas schürt Angst

Bis Anfang letzter Woche war Ebola für die meisten Amerikaner ein Schreckgespenst auf einem anderen Kontinent: furchterregend, aber glücklicherweise weit weg. Das hat sich schlagartig geändert.

Von Claudia Pieper Veröffentlicht:
Angestellte einer Reinigungsfirma verhängen die Eingangstür zum Apartment, in dem sich der Ebola-Patient in Dallas aufgehalten hat.

Angestellte einer Reinigungsfirma verhängen die Eingangstür zum Apartment, in dem sich der Ebola-Patient in Dallas aufgehalten hat.

© LARRY W. SMITH / dpa

DALLAS. Seit vergangener Woche kämpft auf amerikanischem Boden erstmals ein Ebola-Patient um sein Leben, bei dem die Infektion mit dem Virus außerhalb von Afrika diagnostiziert worden ist.

Der Patient war, wie berichtet, am 20. September aus Liberia in die USA eingereist, wo die Krankheit am Dienstag bei ihm anhand von Proben zweifelsfrei diagnostiziert worden war.

Trotz wiederholter Versicherungen der Gesundheitsbehörde CDC, dass eine Verbreitung des Virus unwahrscheinlich sei, sind viele stark verunsichert. Das gilt vor allem für die Bewohner im Norden von Dallas, wo der Tourist bei Angehörigen lebte.

Der UPS-Fahrer, der Pakete in der Nähe des kontaminierten Apartments abliefert, trägt jetzt Handschuhe, wenn er Kunden unterschreiben lässt.

"Ehrlich gesagt fürchte ich mich zu Tode. Die Leute müssen ja unterschreiben. Aber ich habe eine Heidenangst, wenn sie mein Clipboard berühren", sagte er zur "New York Times".

Auch in den von afrikanischen Immigranten bevölkerten Restaurants und Cafés hatte es sich bis Mitte letzter Woche nicht überall herumgesprochen, dass Ebola keineswegs durch gewöhnliche Kontakte weitergereicht wird.

Einer Frau, die sich unkundig zeigte, wurde von einem Bekannten erklärt, während er auf ihr Knie klopfte: "Wenn ich Dich so berühre, dann kriegst Du sie (die Krankheit)", berichtet die "Times".

Umarmungen sind out

Stark war und ist die Verunsicherung vor allem an den vier Lehranstalten, wo fünf Kinder und Jugendliche zur Schule gehen, die engen Kontakt zu dem Erkrankten hatten.

Die Tatsache, dass sich letzte Woche vor den Schulen Trauben von Reportern tummelten, trug mit Sicherheit nicht zur Beruhigung verängstigter Eltern bei.

Vor der Dan D. Rogers-Grundschule gab eine Mutter zu, erst eine halbe Stunde vor Schulbeginn beschlossen zu haben, ihre Tochter am Unterricht teilnehmen zu lassen - aber nur, weil das Kind unbedingt in die Schule gehen wollte. Es sei alles sehr "beängstigend", sagte die Mutter laut "Times".

An der Emmett J. Conrad High School sprachen Schüler über ihre Ängste. "Ich vermeide es, Hände zu schütteln", sagte eine Schülerin.

Umarmungen zwischen Mädchen und Jungen seien ebenfalls out: "Wir wollen uns halt nichts zuziehen."

Einige Eltern hielten ihre Kinder vom Unterricht zurück: Die Anwesenheit an den betroffenen Schulen lag am Donnerstag bei 86 Prozent, verglichen mit normalerweise 95 Prozent.

Die Schulen bemühten sich nicht nur, durch Flyer und andere Kommunikationsmittel Verwirrung und Angst entgegenzuwirken. Sie haben ihre Gebäude auch gründlich desinfizieren lassen, obwohl laut CDC die Ansteckungsgefahr durch die dem Virus ausgesetzten Kinder gleich Null war.

Feindselige Slogans gegenüber liberianischen Immigranten

Der Ort, der dringend einer Desinfizierung bedurft hätte, war die Wohnung, in der sich der Kranke aufgehalten hatte. Hier tat sich allerdings nichts, obwohl die Betroffenen das Apartment nicht verlassen durften.

Erst am Freitag kamen endlich Angestellte einer Reinigungsfirma und begannen vermummt mit der Arbeit. Angeblicher Grund für die Verzögerung: Ein Papierkrieg um Vorschriften und die Weigerung mehrerer anderer Reinigungsfirmen, den Job anzunehmen.

Der Fall des Patienten "Zero" und die Reaktionen im direkten Umkreis des Erkrankten liefern wichtige Lektionen: Viele Menschen entziehen sich selbst in einem entwickelten Land wie den Vereinigten Staaten den besten Informationsbemühungen.

Die von allen Medien verbreitete Tatsache, dass Ebola nicht so leicht übertragen werden kann wie ein Erkältungsvirus, kommt längst nicht bei allen an.

Dieser Informationsmangel brütet Angst und wohl oft auch eine von Rassismus gefärbte Sündenbocksuche. So mussten sich einige liberianische Immigranten letzte Woche feindselige Slogans wie "Geh doch zurück nach Liberia" anhören, berichtet die "Los Angeles Times".

Es ist zu hoffen, dass dies Einzelfälle bleiben.

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