Kammer-Befürworter sehen „Kampagne“

Warum Pflegekräfte gegen die Pflegekammer Rheinland-Pfalz mobil machen

Als Erste ihrer Art ist in Rheinland-Pfalz 2016 eine Pflegekammer etabliert worden. Kritiker bezweifeln den Sinn dieser Einrichtung und fordern eine Befragung aller Pflegekräfte.

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Demonstration gegen die Pflegekammer in Mainz

Kritik an der „Zwangsmitgliedschaft“ – hier bei einer Demonstration in Mainz im März dieses Jahres.

© Alexandra Schug/privat/dpa

Mainz. Bei den Pflegekräften in Rheinland-Pfalz wächst der Unmut. Sie sind wütend auf die Landespflegekammer, die sie verpflichtet, Mitglied zu sein und jährlich Beiträge zu zahlen. „Und zwar für Nichts“, sagte der Leiter des Seniorenzentrums in Kell am See (Kreis Trier-Saarburg), Michael Pauken. „Alle Gesetze, die uns betreffen, werden auf Bundesebene gemacht. Uns hat die Kammer in zehn Jahren erkennbar nichts gebracht“, meinte er.

Die Kritik an der Landespflegekammer ist nicht neu. Sie wird aber lauter. Zu einer Demo gegen die Arbeit der Kammer waren Anfang März in Mainz zwischen 150 und 200 Pflegekräfte und Unterstützer gekommen. In Trier wird es am 10. Mai eine nächste Demo gegeben – für eine Reform der Pflegekammer und „ohne Zwangsmitgliedschaft“. Am 5. Juli folgt eine Demo in Koblenz.

Kritiker fordern Befragung aller Pflegekräfte

Im Protest der Pfleger entstehen lokale „Pflegebündnisse“ wie in Trier und in Koblenz, in denen die Menschen sich organisieren. „Nach den Sommerferien, wenn die Politik dann immer noch nicht wach ist, gibt es Demos in Bad Kreuznach und Kaiserslautern“, sagte Pauken, der selbst Krankenpfleger ist. Die Kritiker fordern eine Vollbefragung aller Pflegekräfte, ob sie die Kammer mit gut 40 Mitarbeitern weiter behalten wollten. Auf jeden Fall müssten aber die Pflichtbeiträge abgeschafft werden, die es so in keinem anderen Bundesland gebe: Die Finanzierung solle das Land übernehmen.

Die Landespflegekammer gibt es seit 2016. Sie ist als gesetzliche Berufsvertretung aller Altenpfleger, Gesundheits- und Krankenpfleger in Rheinland-Pfalz gegründet worden – auch mit dem Ziel, die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern. Sie hat rund 40.000 Mitglieder. Die Beiträge der Pfleger hängen vom Gehalt ab und liegen im Schnitt bei knapp 140 Euro im Jahr.

Die Arbeit der Pflegekammer sei sehr wohl sinnvoll und wirksam, sagte deren Präsident Markus Mai der Deutschen Presse-Agentur. Man habe in den letzten Jahren dazu beigetragen, dass diese Berufsgruppe wesentlich mehr gehört werde und es eine höhere Sensibilität in Gesellschaft und Politik für sie gebe. Die Bemühungen hätten zu einer Anhebung der Gehälter geführt.

Zudem entwickele man den Berufsstand weiter: Anfang Juli trete eine Fortbildungsordnung für Pflegefachpersonen in Kraft. „Darin haben wir erstmals ein Mindestlevel an Fortbildungen festgelegt“, sagte Mai. Fortbildungen seien für die Qualität der Pflege wichtig. Es gehe dabei um zweieinhalb Tage pro Jahr.

Kammer-Präsident: Kritiker „überschaubare Gruppe“

Nach Einschätzung von Mai handelt es sich bei den Kammer-Kritikern um eine „überschaubare Gruppe“. Es gebe drei Gründe, die bei dieser „Kampagne“ eine Rolle spielten: Die Kammer habe jüngst die Pflichtbeiträge erhöht. Zudem sei man seit Jahresbeginn „sehr intensiv“ dabei, Beiträge von Pflegefachkräften einzutreiben, die sich bisher geweigert haben, zu zahlen oder sich nicht gemeldet haben. Und man schreibe Arbeitgeber an.

Die betroffenen Personen ärgerten sich jetzt, sagte Mai. Es könne da auch schon mal um eine Nachzahlung von mehreren 100 Euro gehen. „Keiner zahlt gerne Beiträge“, sagte Mai. Es gebe dafür aber eine gesetzliche Grundlage. Und an die müsse man sich halten – auch mit Blick auf die, die zahlten.

Die Kammer in Rheinland-Pfalz war als erste Pflegekammer in Deutschland gegründet worden: Dabei ging man davon aus, dass alle anderen Bundesländer folgen würden, sagte Pauken. Das sei aber nicht der Fall. Heute gebe es nur noch in Nordrhein-Westfalen eine Pflegekammer.

In NRW zahlt das Land bis zum Jahr 2027

Und diese, sagte Pauken, erhebe keine Pflichtbeiträge bei ihren Mitgliedern. Stattdessen habe das Land eine Finanzierung bis 2027 zugesagt. Kammern, die es in Niedersachsen und Schleswig-Holstein zwischenzeitlich gab, seien nach Abstimmungen der Pflegekräfte wieder abgeschafft worden. Und der Versuch, 2024 eine Kammer in Baden-Württemberg einzurichten, sei gescheitert.

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Die Kritik nehme neu an Fahrt auf, weil die Kammer in Rheinland-Pfalz jüngst alle Arbeitgeber aufgerufen habe, die Namen ihrer Pflegekräfte an die Kammer zu melden, berichtete Bettina Will, Intensiv- und Anästhesiepflegerin aus Bad Ems. Aber nicht alle Arbeitgeber kommen der Aufforderung zur Meldung nach. Wie die Leiterin einer Einrichtung im Kreis Birkenfeld. Sie weigert sich, die Mitarbeiter zu melden. „Ich weiß aber nicht, wie lange ich das durchhalte“, sagte sie. Sie findet den ausgeübten Druck „ein Unding“. Pauken fügt hinzu: „Es gibt viele Pflegefachkräfte, die haben jetzt Angst.“

Kammer als Standortnachteil für Rheinland-Pfalz?

Die „Zwangsmitgliedschaft“ sei ein Nachteil für den Standort Rheinland-Pfalz, sagte die Leiterin eines Seniorenzentrums in Baumholder, Alexandra Schug. Es gebe da Leute, die lieber ein paar Kilometer weiter fahren und dann im Saarland arbeiteten. Das sei auch deshalb schlimm, weil die Fachkräfte in der Pflege überall fehlten. „Man muss aus dieser Pflicht-Geschichte raus“, sagte sie. Denkbar seien stattdessen freiwillige Mitgliedschaften.

Anästhesiepfleger Jörg Sponholz aus Saarburg, der für die Gewerkschaft Verdi in der Kammer sitzt, ist auch mit deren Arbeit unzufrieden. „Du bekommst als Pflegekraft vor Ort zweimal im Jahr so eine Hochglanzbroschüre und mehr hast du nicht von der Kammer“, sagte er. Altenpflegerin Jasmin Gollub, die in einer Einrichtung des Landesverbandes des Deutschen Roten Kreuzes Rheinland-Pfalz arbeitet, sagt: „Wenn man an die Kammer eine Frage per E-Mail stellt, kriegt man keine Antwort. Keiner fühlt sich da zuständig. Die Kammer tut nichts für mich. Also zahle ich für nichts.“

Die Kammer sage stets, ihre Kritiker seien nur eine kleine Gruppe, sagte Pauken. „Wir sind keine Randerscheinung. Wir sind Tausende mittlerweile.“ Kammer-Präsident Mai warnte: „Wer dafür sorgt, dass die Kammer am Ende einen Schaden erleidet, der schadet dem Berufsstand der Pflege und der gesellschaftlichen Versorgung von Pflege nachhaltig.“ Schaue man in andere Länder ohne Pflegekammer: Da habe die berufliche Pflege keinen Einfluss. „Und dann bleibt die Pflege in dem Land wirklich auf der Strecke.“ (dpa)

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Andreas Hoffmann 02.05.202519:59 Uhr

Die einzigen Profiteure der Kammern - nicht nur der Pflegekammern - sind die Funktionäre, Vertreter, Mitarbeiter, Politiker, und andere Wichtigtuer und geltungsbedürftige Narzissten. Die Politiker finden die Kammern gut, weil sie Verantwortung abgeben können und Schuld für Missstände auf andere schieben können, Funktionäre sind üblicherweise von einem ausgeprägten Minderwertigkeitsgefühl und noch ausgeprägterem Geltungsbedürfnis ausgestattet, und die Mitglieder von Vertreterversammlungen etc. wollten auch schon immer mal was zu sagen haben. Und das Ganze muss von den zwangsverkammerten Mitgliedern finanziert werden, die sich als Lohn für ihre Beiträge noch bürokratischen Belästigungen ausgesetzt sehen. Es wird Zeit, dass mehr endlich aufwachen und laut gegen diese spätfeudalen Fürstentümer rebellieren! Die Zwangsmitgliedschaften gehören abgeschafft, wenn die Kammern so tolle Arbeit leisten, werden die Leute freiwillig Mitglieder sein, wenn nicht, dann darf niemand gezwungen werden, dafür auch noch Geld zu bezahlen!

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