"Eine deutsche Moschee für Marburg"

Mit Bescheidenheit und Offenheit plant der Marburger Oberarzt Bilal El-Zayat ein islamisches Kulturzentrum.

Von Gesa Coordes Veröffentlicht:
Die neue Moschee soll schlicht sein. "Wir haben auf alles verzichtet, was provozieren könnte", sagt Bilal El-Zayat, der Oberarzt an der Marburger-Uniklinik ist.

Die neue Moschee soll schlicht sein. "Wir haben auf alles verzichtet, was provozieren könnte", sagt Bilal El-Zayat, der Oberarzt an der Marburger-Uniklinik ist.

© coo

MARBURG (coo). Integrationsunwilligkeit kann man der islamischen Gemeinde Marburgs wahrlich nicht vorwerfen: Sie waren die ersten in Hessen, die ihre christlichen Mitbürger zum Fastenbrechen in ein Ramadanzelt in der Marburger Innenstadt einluden. Sie haben ein hervorragendes Verhältnis zur Jüdischen Gemeinde. Und ihre alte, viel zu klein gewordene Omar-Ibn-Al-Khattab-Moschee ist ein offenes Haus, in dem Besucher willkommen sind.

Bisher ist die Moschee in einem Fachwerkhaus untergebracht.

Bisher ist die Moschee in einem Fachwerkhaus untergebracht.

© coo

Oberarzt Bilal El-Zayat ist der Vorsitzende und das Gesicht der Islamischen Gemeinde in Marburg. Der 33-Jährige ist Sohn einer Preußin und eines Ägypters, den das Studium nach Marburg verschlug. El-Zayat hat nicht nur einen deutschen Pass. Er ist auch Lokalpatriot: "Marburg ist meine Heimat. Das ist eine der schönsten Städte der Welt", sagt er. Und wenn manche Patienten darüber staunen, dass der Arzt perfekt deutsch spricht, kann er nur müde lächeln. Keine andere Sprache spricht er besser. Jetzt hat er sich neben dem aufreibenden Job an der Marburger Uni-Klinik für Orthopädie noch einer zweiten Aufgabe verschrieben - der geplanten Marburger Moschee.

Vor wenigen Wochen hat er die Pläne für den Bau des muslimischen Gotteshauses in Marburg vorgestellt: Eine Moschee ohne Minarett, ohne Kuppel, ohne Muezzin-Ruf. "Wir haben auf alles verzichtet, was provozieren könnte", sagt El-Zayat. Nach Gesprächen mit den christlichen Kirchen änderte die Gemeinde ein islamisches Ornament, das an die Kreuzsymbolik erinnert. Auf den Rat der Jüdischen Gemeinde wird die Moschee einen Keller haben. Er heißt "Orbach-Keller", nach dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde.

Kritische Stimmen sind bislang kaum laut geworden. Das war vor drei Jahren noch völlig anders. Damals scheiterten die Pläne für eine neue Moschee an einer von der CDU im Stadtparlament angezettelten Diskussion. Die Moslems müssten beweisen, dass sie Demokraten seien. Zum Teil stünden sie unter dem Verdacht, Islamisten zu sein, warfen ihnen die Konservativen vor.

Damals habe eine diffuse Terrorismusangst geherrscht, sagt El-Zayat: "Dagegen kann man sich kaum wehren", weiß der Deutsch-Ägypter: "Wir sind alle junge Leute, gut ausgebildet, gut integriert, bringen unseren Müll raus und reisen viel. Wir passen perfekt in das Bild möglicher Schläfer." Es tauchten Schmähschriften auf. Die Bank, die das für die Moschee geplante Gebäude verkaufen wollte, zog ihr Angebot zurück.

Seitdem gibt es einen "Runden Tisch der Integration". Heute kommt Amnon Orbach als Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu den hohen Festen der Moslems. El-Zayat ist beim Laubhüttenfest dabei. "Einfach war das zunächst nicht", sagt er.

Der Weg der Integration gilt auch in der Islamischen Gemeinde. In Marburg beten Schiiten neben Sunniten, Frauen mit Kopftuch und ohne Kopftuch, Mystiker und Sophistiker, Männer mit langem Bart und Bartlose, Linke und Rechte sowie Moslems aus mehr als 40 Nationen. Auch das birgt Konfliktstoff. So gibt es jedes Jahr Streit darum, wann Ramadan gefeiert wird, weil dies überall unterschiedlich geregelt ist. Und es sind auch nicht alle Gemeindemitglieder glücklich über die "bescheidene Moschee", an der nur das Treppenhaus an ein Minarett erinnert. "Das ist eine deutsche Moschee", erklärt El-Zayat seinen Glaubensbrüdern. Wenn alles gut geht und die Frage des Ortes für die Moschee geklärt ist, soll 2011 mit dem Bau begonnen werden. Finanziert werden die 1,2 Millionen Euro Baukosten aus Spenden. Und damit niemand glaubt, dass Hamas oder Hisbollah dahinter stecken, will El-Zayat der Stadt Einsicht in die Spenderdatei geben.

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Berufsbedingte Schäden

Wenn Musikmachen Muskeln, Sehnen und Gelenke krank macht

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Lesetipps
Eine MFA schaut auf den Terminkalender der Praxis.

© AndreaObzerova / Getty Images / iStockphoto

Terminservicestellen und Praxen

116117-Terminservice: Wie das Bereitstellen von TSS-Terminen reibungsloser klappt

Bei Grenzentscheidungen (z.B. kürzlich stattgehabte Operation) gelte es, Rücksprache mit der entsprechenden Fachdisziplin zu halten, betont Dr. Milani Deb-Chatterji.

© stockdevil / iStock

Eine schwierige Entscheidung

Schlaganfall: Das sind Grenzfälle der Thrombolyse