BUCHTIP
Gangbare Wege statt Visionen für die Europäische Union
Europa ja, aber bitte nur in Maßen und schon gar nicht als Ersatz für nationale Werte oder gar als Rechtfertigung für die weit verbreitete Konzeptionslosigkeit der Regierungen in den EU-Mitgliedstaaten.
Ausgehend von dieser These zeichnet Günter Danner, der stellvertretende Direktor der Europavertretung der Deutschen Sozialversicherung in Brüssel, ein ungeschminktes und dennoch von Respekt geprägtes Bild von dem für viele Bürger immer noch abstrakten Gebäude Europäische Union (EU).
Mit Weitblick skizziert der in Deutschland aus gesundheitspolitischen Diskussionen bekannte Europaexperte dabei vor allem die Gefahren für das viel beschworene europäische Sozialmodell, die sich aufgrund der jüngsten Erweiterung der Union und dem anstehenden Beitritt von Rumänien, Bulgarien und wohl auch der Türkei bereits deutlich abzeichnen.
Am Beispiel der drei EU-Mitglieder Deutschland, Frankreich und Niederlande zeigt er aber auch auf, wohin nicht dauerhafte und inkonsistente politische Strategien bei der Reform der Sozialversicherungssysteme führen - zumal wenn sie mit starrem Blick auf eine EU-konforme Linie geführt werden.
Danner wäre aber nicht Danner, wenn er nicht auch einen gangbaren und zukunftsweisenden Weg für die europäische Idee weisen würde. Statt visionärer Phantasien und bürgerferner Formelkonstrukte plädiert er beispielsweise für den Verzicht auf die zwar symbolträchtige, aber als Völkerrecht nicht ernstzunehmende EU-Verfassung.
Und er appelliert an den Mut der nationalen Regierungen, Reformen mit Sachverstand sowie im Interesse der Bürger und nicht im vorauseilenden Gehorsam für eine ferne Brüsseler Bürokratie anzupacken. (spe)
Günter Danner: Die Europäische Union am Scheideweg. Wohlstandsprojekt, Wettlaufgesellschaft oder Wolkenkuckucksheim. Meusch Verlag, Hamburg, 2004, 177 Seiten, 9,90 Euro, ISBN 3-9809858-0-6