Geplante Gesundheitsreform bringt Ärzte auf die Palme

Rot-Grün plant 2003 eine umfassende Gesundheitsreform. Was davon bekannt wird, gefällt den Ärzten nicht. Die Bundesärztekammer beruft einen außerordentlichen Ärztetag ein.

Veröffentlicht:
Gestörtes Verhältnis: Im Jahr 2003 hatten sich Ulla Schmidt und Jörg-D. Hoppe wenig zu sagen.

Gestörtes Verhältnis: Im Jahr 2003 hatten sich Ulla Schmidt und Jörg-D. Hoppe wenig zu sagen.

© Bernd Wüstneck / dpa; [M] ill

Berlin, 18. Februar 2003. Im Februar 2003 steht eins fest: Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt und der Präsident der Bundesärztekammer, Professor Jörg-Dietrich Hoppe, werden keine Freunde mehr.

Zu sehr bringen die bis dahin bekannt gewordenen Eckpunkte für eine umfassende Gesundheitsreform den BÄK-Chef auf die Palme.

Für ihn klingt alles, was er aus dem Gesundheitsministerium hört, nach Staatsmedizin und Vorwürfen an Ärzte, dass sie ihre Arbeit nicht richtig machten.

Bundesweit gibt es Proteste gegen die Gesundheitspolitik von Rot-Grün. Allein im November 2002 versammeln sich 15.000 Demonstranten in Berlin.

Um deutlich zu machen, dass die Ärzteschaft nicht einfach alles schlucken wird, was ihr die Koalition vorsetzen will, wird ein außerordentlicher Ärztetag einberufen.

Es erscheinen die Spitzen der Bundestagsfraktion - Franz Müntefering (SPD), Angela Merkel (CDU), Wolfgang Gerhardt (FDP) und Krista Sager (Grüne) - sowie Horst Seehofer für die CSU. Ulla Schmidt ist eingeladen, sagt aber kurzfristig ab.

DMP, IQWiG - zu viel für die Ärzte

Den Ärzten schwant bereits nach der Vorstellung des Koalitionsvertrages im Oktober 2002 Böses. Hier hatten SPD und Grüne ihren Willen bekundet, durch einen "Qualitätswettbewerb der Krankenkassen und der Leistungserbringer" Einsparungen in der GKV zu erreichen.

Vor allem die geplanten Programme für chronisch Kranke (DMP) und deren Kopplung an den Risiskostrukturausgleich sowie die anvisierte Gründung eines Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Medizin (IQWiG) sind den Ärzten suspekt.

Das Institut soll Leitlinien für die Behandlung von Patienten mit Volkskrankheiten entwickeln und eine Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneien vornehmen.

Die Befürchtung: Ist die Therapieverantwortung erst einmal durch eine Listenmedizin abgelöst, dann darf nur noch so viel ärztliche Leistung erbracht werden, wie Geld da ist.

Hoppe sieht in den Vorhaben der Regierung nicht nur eine Systemänderung, sondern einen Kulturwandel im Gesundheitswesen anbrechen. Er befürchtet eine staatliche Steuerung des Gesundheitssystems, die in die bislang autonome Beziehung zwischen Arzt und Patient hineinreicht.

Nullrunde verordnet

Weil sich zum Jahresende 2002 ein Defizit von elf Milliarden Euro in der GKV kumuliert hat, verordnet der Gesetzgeber den Leistungserbringern für 2003 zudem eine Nullrunde. Diese fühlen sich von der Ministerin gering geschätzt.

"Die Lebenslüge der GKV - mit begrenzten Ressourcen unbegrenzte Leistungen zu versprechen, können und wollen wir nicht länger durch unser Engagement kompensieren", ruft Hoppe den Ärztetagsdelegierten zu.

Der Protest der Ärzte ist nur in Maßen erfolgreich. DMP und IQWiG sind heute feste Größen im deutschen Gesundheitswesen. (chb)

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Blutzuckervariabilität

Wie die Time Below Range das Diabetes-Management verbessert

Vor der Ferienzeit

Beratungsfall Reisemedizin: Worauf es im Patentengespräch ankommt

Lesetipps
Prophylaktische Maßnahmen sind der beste Weg, um Infektionen bei Krebspatientinnen und -patienten zu verhindern. Während und nach ihrer Chemotherapie sind sie dafür besonders anfällig. (Symbolbild)

© RFBSIP / stock.adobe.com

Vorbeugen ist besser als heilen

Wie die Infektionsprophylaxe bei Krebspatienten gelingt

Eine Frau liegt auf dem Sofa und hält sich den Bauch.

© dragana991 / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Schmerzerkrankung

Endometriose-Leitlinie aktualisiert: Multimodale Therapie rückt in den Fokus