Giftmischer und Biedermänner

Apotheker waren zu allen Zeiten ein dankbares Sujet - für Witze, Karikaturen und Kriminalromane. Ein Pharmaziehistoriker hat sich auf Spurensuche nach dem typischen Bild des Apothekers in Prosa und Lyrik gemacht.

Von Klaus Brath Veröffentlicht:

Bei seinem Streifzug durch die Literaturgeschichte ist Professor Wolf-Dieter Müller-Jahncke, Pharmaziehistoriker und Apotheker überaus fündig geworden. Das Spektrum an Texten, Zitaten, Komödien, Liedern und Sketchen, in denen Apotheker eine mehr oder minder tragende Rolle spielen, reicht vom mittelalterlichen Minnesänger Heinrich Frauenlob über Shakespeare, Molière und Goethe bis zum Blödelbarden Dieter Hallervorden, vom anonymen Verfasser eines mittelalterlichen Totentanzes über die Nobelpreisträger Pablo Neruda, Hermann Hesse und Günter Grass bis hin zur aktuellen Bestsellerautorin Julia Franck.

Müller-Jahncke hat aus all diesen Quellen eine anregende, oft vergnügliche und kenntnisreich kommentierte Anthologie des Apothekerberufs verfasst. Vielfältig wird das Berufsbild beschrieben. Friedrich Rückert charakterisiert den Apotheker als "Arzeneienschmecker, Gläserlecker" (1818), Otto Friedrich Gruppe als Salbenmann (1835), Eugen Roth als "Säftleinmischer, Pillendreher" (1939). Mehrfach wird der Umgang mit Mörser, Stößel und Balkenwaage beschrieben, aber auch Gift bezeihungsweise das nötige Know-how dazu scheint stets vorhanden. So setzt Wilhelm Buschs Figur Mickefett, ein Apothekerproviser mit flott aufrecht stehender Haartolle, kurzerhand einen Nebenbuhler außer Gefecht: ein mit "mancherlei Essenzen" angereicherter Punsch genügt.

Bereits in der frühen Neuzeit verweist Ulrich Boßler von Hasfurt auf die Dienstpflichten des Apothekers, der sich "nachts als tags nit abwesig machen darf", als "Kettenhund" sieht auch Werner Heinen (1957) den allein arbeitenden Landapotheker: "…immer muss er auf der Lauer liegen; jede Minute kann ja die Schelle schrillen." Peter Handke (1997) lässt den "Apotheker von Taxham" wenigstens für den halben Tag "in den hinteren Teil seiner Bude zurückziehen", zur Laborarbeit. Und Ingrid Nolls "Apothekerin" weiß, dass ihr Beruf auch "eine soziale Funktion hat: Nicht nur Beratung, auch Zuhören wird gefordert". Zu ihren redseligen Stammkunden zählen "in der Regel alte und einsame Menschen."

Die Apotheke wird als Ort vieler Düfte wahrgenommen

So schillernd die Tätigkeiten und teils die Klienten, so gleichförmig wird fast immer die Apotheke beschrieben: als Ort voller Ordnung und Würde, mit besonderen Düften. "Wie das roch! So wie bei der Muhmelies und doch wieder ganz anders", heißt etwa es in einem Kinderbuch (1973). Peter Handke beklagt hingegen die helle, bunte Vielgestaltigkeit so mancher neuer Apotheken: "Wo bin ich hier? In einem Solarium? Einer Parfümerie? Einer Strandbude?"

Immer wieder gibt es auch Anspielungen auf das spannungsreiche Verhältnis zwischen Arzt und Apotheker, die sich aber laut Wilhelm Hauff regelmäßig wieder vertragen: "Denn sind sie auch Feinde immerdar, so werden sie Freund am neuen Jahr." Und sogar das gern praktizierte Fachlatein von Apothekern, die gern als Exzentriker, Pedant, Gierhals oder Sonderling charakterisiert werden, wird zum Thema: Wer kennt nicht Karl Valentins klassischen Apothekensketch (1937) über das Beruhigungsmittel Isopropylpropenylbarbitursauresphenyldimethyldimethyl-aminopyrazolon?

Schon Kurt Tucholsky (1930) fragte, "wie so ein freundliches Wesen alle die vielen lateinischen Namen auswendig weiß?" Für die Eigenheiten der Apotheker hat der große Spötter seine ganz eigene Erklärung gefunden: "Und immer riecht es nach strengen und herben Sachen, es sind jene Düfte, die dem guten, alten Apotheker langsam zu Kopf steigen, woher er denn den altbewährten Apotheker-Sparren hat."

Buchtipp

Wolf-Dieter Müller-Jahncke (Hrsg.) unter Mitarbeit von Kathrin V. Pfister: Giftmischer, Exzentriker, Biedermänner. Das Bild des Apothekers in Prosa und Lyrik. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, Govi Verlag 2009, 192 S., 21 Abb., gebunden, ISBN 978-37741-1098-4, € 32,-

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