Goethes Faszination für die Heilkunde

Er hat den Zwischenkieferknochen beim Menschen entdeckt - was Goethe an der Medizin interessierte, erfahren Besucher bei einer Schau in Düsseldorf.

Anne-Christin GrögerVon Anne-Christin Gröger Veröffentlicht:
Konzipierte die Goethe-Ausstellung: Kustodin Dr. Heike Spies.

Konzipierte die Goethe-Ausstellung: Kustodin Dr. Heike Spies.

© Fotos: akr

DÜSSELDORF. Er war Wissenschaftler und Patient. Sein Leben hindurch quälten ihn schwere Krankheiten und mehrfach stand er zwischen Leben und Tod. Johann Wolfgang von Goethe interessierte sich schon als Student für Fragen der Medizin und der Anatomie. Deswegen besuchte er dazu Vorlesungen an der Universität. Unter Anleitung des Anatomen Justus Christian Loder betrieb er sogar eigene Forschungen. Im Jahr 1784 entdeckte der Dichter den Zwischenkieferknochen beim Menschen, der daraufhin seinen Namen - sutura goethei - erhielt.

Das Düsseldorfer Goethe-Museum im Schloss Jägerhof zeigt diese weniger bekannte Seite des Dichters - sein Verhältnis zur Medizin, zu Krankheiten und deren Heilung. Mit etwa 170 Originalzeugnissen widmet sich die Ausstellung "Goethe und die Heilkunde" dem Interesse des Dichters an der Humanmedizin seiner Zeit. Kustodin Dr. Heike Spies hat sie aus eigenen Beständen konzipiert und durch Leihgaben des Instituts für Medizingeschichte und des Botanischen Gartens der Heinrich-Heine-Universität ergänzt.

Der Dichter besuchte oft Anatomie-Vorlesungen

Die Ausstellung zeigt verschiedene Facetten der Beziehung zwischen Goethe und der Heilkunde. Schon während seiner Studienzeit pflegte er engen Kontakt zu Medizinstudenten und tauschte sich mit ihnen aus. Der Dichter eignete sich medizinisches Wissen an, besuchte Anatomievorlesungen. Den Höhepunkt seiner Studien bildet die Entdeckung des Zwischenkieferknochens. "Der Fund belegte noch vor Darwin, dass Mensch und Wirbeltier in einer evolutionsbedingten Reihe stehen", sagt Kustodin Spies.

Leiden war für Goethe eine besondere Art der Selbstbegegnung.

Seine Erkenntnisse beschrieb Goethe in einem Aufsatz, den die Fachwelt 1831 wissenschaftlich anerkannte. Ärzte waren dem Dichter Freunde und Inspiration. Er suchte einerseits ihren fachlichen Rat und diskutierte mit ihnen andererseits über das Verhältnis von Gesundheit und Krankheit. Sein Idealbild des Arztes war geprägt von humanistischen Vorstellungen: "Es ist nicht der Doktor im langen Kleide, der vom Katheder herab belehrt, es ist dem Mensch, der umher wandelt, aufmerkt, der vor Freude und Schmerz ergriffen wird und uns davon eine wissenschaftliche Mitteilung aufdrängt", schrieb er 1810 im historischen Teil der "Farbenlehre".

Weitere Schwerpunkte der Ausstellung liegen in der Bedeutung von Badekuren und der frühen "Seelenkunde", die sich auch in der Literatur Goethes wieder findet. Besonders beschäftigte ihn die "Krankheit zum Tode" - die Melancholie und der häufig daraus folgende Freitod. "In Werken wie ,Die Leiden des jungen Werther‘, ,Stella‘ oder ,Mignon‘ findet sich das wieder", sagt Spies.

Goethe bemühte sich sein gesamtes Leben hindurch um eine gesunde Lebensführung. Er wanderte, ritt, schwamm im kalten Wasser und verzichtete auf Tabak und Kaffee - mit begrenztem Erfolg. Der Dichter blieb von Krankheiten nicht verschont. "Er litt an Pocken, Gesichtsrose und Hirnhautentzündung und hatte mehrere Blutstürze", sagt Spies. Doch seine Krankengeschichte hat für ihn auch immer eine geistige Dimension.

Goethe verstand das Leiden als eine besondere Art der Selbstbegegnung. Schmerzen, Unwohlsein oder Bewegungsunfähigkeit des Menschen führen - in Goethes Verständnis - zu einer neuen Selbstwahrnehmung, die den Menschen trotz der Krankheit permanent reifen und wachsen lässt.

Die Ausstellung ist noch bis 23. August im Goethe-Museum Düsseldorf zu sehen. Öffnungszeiten: dienstags bis freitags von 11 bis 17 Uhr, samstags 13 bis 17 Uhr, montags ist geschlossen. Öffentliche Führungen mit Kustodin Dr. Heike Spies finden am 12. Juli und 16. August, jeweils um 11 Uhr statt.

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