"Ich lag da, von Morphium betäubt, wohl alle erwarteten meinen Tod"

Von Klaus Brath Veröffentlicht:

Drei Eingeborene der Südsee blicken auf einem Gemälde Emil Noldes den Betrachter frontal an, mit großen Augen und reich geschmückt. Das Gemälde "Neuguinea-Wilde" entstand 1915 im Anschluß an Noldes Pazifik-Reise. Seine Bilder haben wie die Gemälde Paul Gauguins unser Bild von der Exotik der Südsee geprägt.

Emil Nolde, der heute vor 50 Jahren im Alter von 88 Jahren in Seebüll gestorben ist, war 1913/14 Mitglied der "Medizinisch-Demographisch Deutsch-Neuguinea-Expedition des Reichs-Kolonialamts." Der Künstler und seine Frau Ada durften sich auf Vermittlung des Ophthalmologen Alfred Leber, den Nolde 1912 mehrmals porträtiert hatte, der Forschungsreise in den Pazifik anschließen.

Die von Leber und dem Tropenmediziner Ludwig Külz geleitete Reise sollte in Neuguinea den ungeklärten Bevölkerungsrückgang erforschen und die systematische Bekämpfung der sogenannten Eingeborenenkrankheiten wie Elephantiasis und Augenkrankheiten organisieren.

Die Expedition war eines der letzten Kapitel in der politisch fragwürdigen, doch tropenmedizinisch fruchtbaren Kolonialgeschichte des wilhelminischen Deutschland. Wie riskant derartige Unternehmungen medizinisch waren, erfuhr auch Nolde.

Nach dem Konsum verseuchten Wassers erkrankte er mitten im Urwald an Amöben-Dysenterie und litt wochenlang in Hospitälern. "Ich lag da mit brennendem Durst", schrieb er in seiner Autobiographie, "von Rotwein und Wasser genährt, von Morphium betäubt, wohl alle erwarteten den Tod." Der Künstler erholte sich wieder, eine mitgereiste junge Krankenschwester starb jedoch an den Folgen von Malaria.

In Noldes facettenreichem Oeuvre finden sich auch einige Motive mit medizinischem Bezug. Unter den Ölgemälden etwa "Totenschädel-Stilleben" (1899), "Christus heilt die Kranken" (1900) und "Wahn" (1919), unter den Grafiken ragt die symbolträchtige Radierung "Kranker, Arzt, Tod und Teufel" (1911) heraus.

Nachdem die Nationalsozialisten den ausdrucksstarken Künstler noch mit Malverbot belegt hatten, wurde er nach 1945 vielfach ausgezeichnet. Zur Verleihung des Ordens "Pour le Mérite" (1956) hielt der befreundete Medizin-Nobelpreisträger Gerhard Domagk die Gedenkrede.

Längst ziehen die wechselnden Ausstellungen in Noldes ehemaligem Wohnhaus und Atelier in Seebüll jährlich Tausende von Besuchern an. Die aktuelle Ausstellung "Seebüll 2006" zeigt mit insgesamt 167 Werken Noldes enorme Vielfalt.

Diesjähriger Schwerpunkt sind das Alterswerk mit den sogenannten "Ungemalten Bildern", Selbstporträts und Emil Noldes Beziehung zum Künstlerkollegen Rembrandt. Zudem sind auch mehrere Gemälde zu sehen, die nach der denkwürdigen Südsee-Reise des großen Expressionisten und Aquarellisten entstanden sind.

Die Ausstellung "Emil Nolde - Seebüll 2006" ist bis 30. November 2006 in Seebüll zu sehen. Geöffnet ist täglich von 10-18 Uhr, im November von 10-17 Uhr. Weitere Infos: www.nolde-stiftung.de

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