Ärzte ohne Grenzen

"Jeder hat ein Recht auf Leben"

Als erster Kongolese wurde Innocent Kunyuwana Leiter eines Notfallteams bei der internationalen Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen". Mit der "Ärzte Zeitung" sprach er darüber, wie er Arzt wurde, über schwierige Einsätze zwischen Epidemien und bewaffneten Kämpfen und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft für seine Heimat.

Von Christina Bauer Veröffentlicht:
Innocent Kunyuwana im Notfall-Einsatz in Süd-Kivu.

Innocent Kunyuwana im Notfall-Einsatz in Süd-Kivu.

© Innocent Kunyuwana

NIAMEY. Sie haben schon mehr als 1500 Patienten behandelt und immer noch viel zu tun. Seit Wochen arbeitet Innocent Kunyuwana im Niger mit einem Team von "Ärzte ohne Grenzen" gegen eine Cholera-Epidemie an. Von der Stadt Niamey aus spricht er mit der "Ärzte Zeitung".

In den letzten Jahren war der junge Arzt vor allem in seiner Heimat im Einsatz, der Demokratischen Republik Kongo. Dort gibt es derzeit laut Weltgesundheitsorganisation nur einen Arzt für 10.000 Menschen.

Das riesige Land hat 78 Millionen Einwohner, fast so viele wie Deutschland. Dort aber gibt es im Durchschnitt einen Arzt für knapp 300 Menschen. Die DR Kongo, eine frühere Kolonie Belgiens, wurde über Jahrzehnte immer wieder von Krieg und Krisen erschüttert.

Zwei Stunden Fußweg zur Schule

Es gibt fünf Universitäten in großen Städten. Dennoch ist Arzt werden ein schwieriger Weg, besonders für junge Leute vom Land. Kunyuwana ist das gelungen. Jetzt hilft der 33-Jährige denen, die sonst keine Versorgung hätten.

Als erster Kongolese wurde er Leiter eines Notfallteams für die internationale Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen". Diese half erstmals 1977 in seiner Heimat, fast zehn Jahre bevor er zur Welt kam.

Sieben Kilometer lief Kunyuwana als Junge in der Region Süd-Kivu am Kivusee im Osten des Landes zur Schule, ein zweistündiger Fußmarsch. In der Regionalhauptstadt Bukavu studierte er acht Jahre Medizin und wurde 2011 Arzt. Die Chance, für Ärzte ohne Grenzen zu arbeiten, ergriff er gern.

Dort leitete er bis vor Kurzem das Notfallteam "Résponse d'Urgence Sud Kivu" (RUSK) mit 13 Ärzten und 37 Pflegekräften. Für die Hilfsorganisation ist der Einsatz in der DR Kongo bis heute einer der größten. Vor allem Gewalt und Infektionskrankheiten bedrohen die Menschen.

In den letzten Jahren flammten immer wieder Kämpfe zwischen gegnerischen Milizen auf. Etwa vier Millionen Kongolesen mussten 2017 aus dem Osten in andere Landesteile fliehen. Bisher bringen die reichen Bodenschätze in der Erde mehr Kämpfe als Entwicklung und Wohlstand.

Erst im April und Mai behandelte RUSK in Süd-Kivu bei einem Noteinsatz viele tausend Menschen, die bei Kämpfen verletzt wurden. Nach Konfliktparteien unterschieden sie nicht. "Jeder hat ein Recht auf Leben", so Kunyuwana. Er ist mit RUSK sehr zufrieden. "Ich bin stolz auf das Team, wir haben viel gearbeitet."

Fachkräfte und Versorgungsstrukturen fehlen, vor allem auf dem Land. Oft gibt es nur traditionelle Heiler. Immer wieder überwinden die Helfer weite Wege, Schlammpisten und Dschungelgestrüpp, so auch beim letzten Einsatz. "Wir sind zu Fuß 24 Stunden gelaufen, um die Menschen zu erreichen", berichtet der Arzt.

Wegen der Extremtemperaturen liefen sie nachts, so dauerte der Marsch zwei Tage. Wenn sie dann da sind, sind Aufklärung über Krankheiten, Vorsorge und Impfungen ein wichtiger Teil der Arbeit. "Das funktioniert", weiß der Arzt. Er spricht selbst fünf der mehreren hundert Landesdialekte, das Team kennt noch viele andere.

Schon zwei Mal an Malaria erkrankt

Anophelesmücken infizieren oft Menschen mit Malaria tropica. Moskitonetze und Prävention durch Tabletten helfen, aber es gibt sie nicht überall, und sie schützen nicht zu hundert Prozent. Unbehandelt ist die Krankheit schwer zu bewältigen, die landesweit zu den häufigsten Todesursachen zählt.

Mit Therapie sind die Heilungschancen gut. Kunyuwana erkrankte erst letztes Jahr selbst zwei mal an Malaria, war aber beide Male nach wenigen Tagen gesund. Cholera hatte er nie, obwohl auch diese Krankheit sehr verbreitet ist.

Sauberes Wasser ist rar, durch Hygienemängel gibt es oft Verunreinigungen mit Cholera-Bakterien und entsprechende Infektionen. RUSK behandelte 2017 bei einem der größten Ausbrüche im Land etwa 7000 Patienten. Zu Beginn im August verstarben fünf von hundert Kranken, im Dezember noch einer von hundert.

"Wir desinfizierten alle Orte, mit denen Cholerakranke in Kontakt waren, und behandelten das Wasser mit Chlor", berichtet der Arzt. Die Bevölkerung bekam Chlortabletten und wurde über die Krankheit aufgeklärt. Am Ende war die Epidemie überstanden.

Im selben Jahr gelang ein Erfolg gegen Masern, bei einem Ausbruch wurden 2000 Kinder behandelt. Masernviren sind hochansteckend, die Infektion ist über die Luft möglich. In Afrika sterben daran laut WHO noch etwa 90.000 Menschen im Jahr. Daher impfte das Team allein in Süd-Kivu 200.000 Kinder.

Kunyuwana hofft für sein Land auf eine bessere Zukunft. Wenn es eine Möglichkeit gibt, möchte er dort auch bald selbst wieder im Einsatz sein.

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