Hintergrund

"Kinder in Pakistan verhungern - Soforthilfe muss dringend intensiviert werden"

1500 Tote, 20 Millionen Obdachlose, Schäden in Milliardenhöhe - die Folgen der Jahrhundertflut in Pakistan sind erschütternd. Aktuell drohen Seuchen und Hunger, viele Kinder leiden an Hautkrankheiten.

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Alles verloren: Mutter wäscht Kind im Flüchtlinglager.

Alles verloren: Mutter wäscht Kind im Flüchtlinglager.

© Pak Images/Ilyas Dean/ imago

"Pakistan steht unmittelbar vor einer Hungerkrise, wenn nicht eine Kraftanstrengung ohne Beispiel erfolgt, mehr Lebensmittel bereit zu stellen", sagt Dr. Anton Markmiller, Hauptgeschäftsführer der Hilfsorganisation Care Deutschland-Luxemburg. "Die Verteilung von Essen und Trinken ist vollkommen unzureichend." Es gebe schon Medienberichte über verhungerte Kinder, so Markmiller weiter. "Das ist ein schreckliches Warnzeichen für die kommenden Wochen." Pakistan, eigentlich Exporteur von Reis, "kann seine Bevölkerung zur Zeit nicht ausreichend versorgen."

Thomas Schwarz, der sich im Auftrag von Care seit einer Woche im Katastrophengebiet aufhält, berichtet von "zunehmenden Hautkrankheiten vor allem bei Kindern, die in dem Wasser spielen". Die Gesundheitsteams verteilten zwar Medikamente, "aber das löst bei weitem nicht das Problem", so Schwarz: "Eine Intensivierung medizinischer Soforthilfe ist zwingend notwendig."

Im Nordwesten Pakistans, wo die Distrikte Nowshera, Charsadda und das Swat-Tal unter Wasser stehen, unterstützt die Diakonie Katastrophenhilfe zurzeit etwa 60 000 Flutopfer. "In den Notlagern versorgen wir Tausende Menschen täglich mit Trinkwasser", berichtet Rainer Lang, der im Auftrag des evangelischen Hilfswerks vor Ort ist. "Wir haben ein Dorf besucht, das vier Tage lang bis zu vier Meter unter Wasser stand. Von den 1700 Häusern sind 400 völlig zerstört und fast alle beschädigt. Am Rande des Dorfes treiben noch Kadaver toter Büffel, die noch nicht geborgen werden konnten, auf den überschwemmten Feldern."

Die Diakonie Katastrophenhilfe verteilt Nahrungsmittel, Zelte, Plastikplanen und Hygienesets an die Opfer der Flut. Ein Schwerpunkt ist die Trinkwasserversorgung. 25 Großtanks sind bereits im Einsatz, 50 weitere sollen bald folgen. Den Menschen der betroffenen Gebiete habe man langfristige Hilfe beim Wiederaufbau ihrer Häuser zugesichert.

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) hat in den von den Überflutungen betroffenen Regionen Sindh und Punjab neue Gesundheitseinrichtungen sowie mobile Kliniken aufgebaut. "Von mehr als 10 000 Behandlungen, die wir in den vergangenen zwei Wochen vorgenommen haben, betrafen die meisten Haut- und Atemwegserkrankungen und Durchfälle", sagt Dr. Ahmad Mukhtar, der medizinische Koordinator von Ärzte ohne Grenzen in Pakistan. "Bei einigen Patienten vermuten wir Cholera, aber noch warten wir auf die offiziellen Ergebnisse." Etwa zehn Prozent der 10 000 Patienten, die MSF-Mitarbeiter in den mobilen Kliniken betreut haben, leiden an akutem Durchfall.

Jeden Tag stellt Ärzte ohne Grenzen eigenen Angaben zufolge den von den Fluten betroffenen Menschen insgesamt 300 000 Liter sauberes Wasser zur Verfügung. Darüber hinaus habe man mehr als 50 000 Notfallpakete verteilt. Zudem klärten Mitarbeiter die Menschen auf, wie sie mit vorhandenen Mitteln Wasser am besten aufbereiten können.

Nach der ersten Zurückhaltung wächst die Hilfsbereitschaft für Pakistan weltweit an, auch in Deutschland. "Die Bilder von der verheerenden Flut in Pakistan sind in unseren Wohnzimmern angelangt", so Maria Rüther von der Aktion Deutschland Hilft, dem zehn Hilfsorganisationen angehören. "Wir können mehr Hilfe leisten, weil Menschen in Deutschland jetzt mehr für die Flutopfer spenden."

Dazu zähle beispielsweise die Verteilung von Decken, Planen, Hygienesets und Wasserentkeimungstabletten.

Unterdessen hat die Weltbank der pakistanischen Regierung einen Kredit von umgerechnet 700 Millionen Euro zugesagt, um die Folgen der Flut zu bekämpfen. Vorläufigen Schätzungen nach sind durch die Überschwemmungen, die ein Drittel des Landes betreffen, mehr als 720 000 Häuser zerstört oder beschädigt worden. Die Ernte-Ausfälle werden mit 780 Millionen Euro beziffert.

Hier können Sie spenden: Aktion Deutschland hilft, Spendenkonto: 10 20 30, BLZ 370 205 00, Bank für Sozialwirtschaft in Köln, Spenden-Stichwort: Flut Pakistan medico international, Konto-Nr. 1800, Frankfurter Sparkasse, BLZ 500 502 01, Stichwort "Pakistan" ÄRZTE OHNE GRENZEN, Konto 97 0 97, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00, Stichwort: "Pakistan und andere Krisen"

Lesen Sie dazu auch: Pakistan: Millionen Menschen in Not - ein Ende der Flutkatastrophe ist nicht in Sicht UN-Chef Ban Ki Moon von Ausmaß der Flutkatastrophe in Pakistan geschockt Pakistan: Mehr Spenden aus Deutschland - Krankheiten breiten sich aus

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