Nachruf

Klaus Nöldner – Humanist und Homo politicus

Kurz vor Vollendung seines 87. Lebensjahres ist Klaus Nöldner, langjähriger Hauptgeschäftsführer des Hartmannbundes, Vorsitzender von Care Deutschland und Vizepräsident von Care International Ende vergangener Woche gestorben.

Von Helmut Laschet Veröffentlicht:
Als Vorsitzender von CARE Deutschland überreicht Klaus Nöldner (r.) im Dezember 1990 dem damaligen Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher ein Hilfspaket für die Aktion „Helft Russland“.

Als Vorsitzender von CARE Deutschland überreicht Klaus Nöldner (r.) im Dezember 1990 dem damaligen Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher ein Hilfspaket für die Aktion „Helft Russland“.

© Tim Brakemeier / picture-alliance

Berlin. Klaus Nöldner war ein Homo politicus. Bevor Nöldner 1975 die Hauptgeschäftsführung des Hartmannbundes übernahm, hatte er eine ereignisreiche internationale Karriere unter anderem bei der Konrad-Adenauer-Stiftung durchlaufen.

Die Grundlage dafür, das machte er immer wieder im persönlichen Gespräch deutlich, war mit einer umfassenden humanistischen Bildung auf dem Hamburger Gymnasium Christianeum gelegt worden. Nach dem Abitur machte Nöldner eine Lehre zum Industriekaufmann und studierte Wirtschaftswissenschaften in Hamburg und Berlin.

1963 engagierte ihn die Konrad-Adenauer-Stiftung für entwicklungspolitische Projekte zunächst in Lateinamerika, ab 1967 in Südvietnam. Aus dieser Zeit stammt sein Ruf als „Katastrophen-Klaus“, der in einer eigenmächtigen, durch nichts gedeckten Aktion in dem von den Vietcong bedrängten Saigon ein Flugzeug charterte und auf eigene Faust einen großen Teil des deutschen Botschaftspersonals evakuierte.

Konkrete Solidarität

Aus den Einsätzen in der Entwicklungshilfe in Lateinamerika, Südostasien und später in Afrika resultierte aber mehr als die Neigung zu eigenständigen (eigenmächtigen?) Entscheidungen: ein konkretes Verständnis von internationaler Politik und Solidarität, die seine Amtszeit beim Hartmannbund und sein Engagement für die Ärzteschaft prägen sollte.

Dort wurde er 1975 Hauptgeschäftsführer, war aber zugleich auch ehrenamtlich Vorsitzender von Care Deutschland und Vizepräsident von Care International. Wenn Nöldner eines gelernt hatte, dann war es das effiziente Networking. Das führte auch dazu, dass er 1982, im Gründungsjahre der Ärzte Zeitung, sofort erkannte, welche Möglichkeiten der gesundheitspolitischen Kommunikation sich aus einem täglich erscheinenden aktuellen Medium für Ärzte ergeben könnten. Nöldner war über Jahre hinaus regelmäßiger Gast bei Redaktionsgesprächen der Ärzte Zeitung.

Vor allem aber verstand es Nöldner, das Potenzial des damals größten freien Ärzteverbandes und seiner Mitglieder mit seinem Engagement bei Care zu verbinden und die Fähigkeiten deutscher Ärzte – und deren Bereitschaft zur Solidarität – für Entwicklungsprojekte speziell in Afrika zu nutzen.

Riesige Resonanz in der Bevölkerung

Die größte Herausforderung entstand 1989/90, als die Sowjetunion politisch und wirtschaftlich kollabierte und eine humanitäre Krise in Russland entstanden war. Gemeinsam mit dem ZDF und dem Nachrichtenmagazin „Stern“ initiierte Nöldner die Aktion „Helft Russland“, die vor dem Hintergrund, dass KPdSU-Generalsekretär Michail Gorbatschow den Fall der Mauer zugelassen und die deutsche Einheit ermöglicht hatte, eine riesige Resonanz in der deutschen Bevölkerung fand: 170 Millionen DM Hilfsgelder kamen binnen weniger Wochen zustande.

170 Mio. DM

Hilfsgelder kamen in Folge der von Klaus Nöldner mitinitiierten Aktion „Helft Russland“ zusammen.

Neben der Lieferung von traditionellen Care-Paketen entstand schnell die Idee eines strukturierten medizinischen Hilfsprogramms: In der Nähe von Moskau entstand ein Reha-Heim für behinderte Kinder, für die dezentrale zahnärztliche Versorgung wurden Dentomobile entsandt, in rund einem Dutzend größerer Städte von Jekaturinburg bis Wladiwostok wurden kinderonkologische Stationen aufgebaut – mit Unterstützung und Know-how der Ärzte aus dem Hartmannbund. Mehrmals trafen Nöldner und der (ehemalige) russische Präsident Gorbatschow zusammen.

Dass solche Hilfseinsätze auch von Pannen begleitet sein können, erfuhr Nöldner bei seinem letzten Engagement 1994 im kenianischen Goma an der Grenze zu dem von einem Genozid betroffenen Ruanda. Der Transport wurde durch Notstopps unterbrochen, die Koordination verschiedener Hilfsorganisationen war nicht abgestimmt, die Helfer verärgert – und kabelten dies nach Hause. In Bonn entwickelte sich gegen Nöldner eine Medienkampagne, die in Vorwürfen der Geldverschwendung und Veruntreuung gipfelten. Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf.

Vorwürfe erwiesen sich als haltlos

Ende 1994 beurlaubte der Hartmannbund Nöldner, im April 1995 entzog ihm der Vorstand durch Entlassung das Vertrauen – ohne das Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abzuwarten. Wenige Monate später folgte die Einstellung des Verfahrens: Keiner der Vorwürfe wurde bestätigt. Vor dem Arbeitsgericht bekam Nöldner die volle Gehaltszahlung bis zum 65. Lebensjahr zugesprochen.

Konsequent zog Nöldner einen Schlussstrich: Er legte alle Ehrenämter nieder, schied aus allen Organisationen aus, kaufte sich von den Hartmannbund-Millionen eine neue Segelyacht und erkundete gemeinsam mit Freunden die antiken Stätten entlang den Küsten des Mittelmeers.

Liebe Leserinnen und Leser, leider sind uns in einer früheren Version des Nachrufs Zahlendreher passiert, die wir nun korrigiert haben.

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