Weltweiter Aufschrei

Peking ordnet Untersuchung zu Gen-Babys an

Die chinesische Nationale Gesundheitskommission will die angebliche Geburt von gen-manipulierten Kindern untersuchen. Diese hat einen Aufschrei der Empörung hervorgerufen.

Von Jörn Petring Veröffentlicht:
Professor He Jiankui hat nach eigenen Angaben mittels Genschere das Genom von Embryonen manipuliert. (Screenshot)

Professor He Jiankui hat nach eigenen Angaben mittels Genschere das Genom von Embryonen manipuliert. (Screenshot)

© Chen Jialiang / Imaginechina

PEKING. Chinas Regierung hat eine „unverzügliche Untersuchung“ angeordnet, nachdem ein chinesischer Wissenschaftler die weltweit erste Geburt genmanipulierter Babys verkündet hat. Der Fall müsse in Übereinstimmung mit den Gesetzen behandelt werden, die auf dem Grundsatz basieren, für die Gesundheit der Menschen Verantwortung zu tragen, teilte die Nationale Gesundheitskommission in Peking am Dienstag mit.

Der Forscher Professor He Jiankui hatte am Vortag einen weltweiten Aufschrei der Empörung unter Wissenschaftlern und Ethikern ausgelöst, als er die Geburt der ersten genmanipulierten Babys verkündete (wir berichteten). Die zwei Mädchen seien vor einigen Wochen gesund „wie jedes andere Baby“ zur Welt gekommen, hatte der Wissenschaftler in einem auf Youtube veröffentlichtem Video berichtet.

Keine Genehmigung der Behörden

Die staatliche Zeitung „China Daily“ berichtete am Dienstag, dass der Wissenschaftler für seine Versuche in der südchinesischen Stadt Shenzhen keine Genehmigung bei den Behörden eingeholt habe. Die städtische Kommission für Familienplanung und Gesundheit sei nicht informiert worden, obwohl sie zunächst das Projekt hätte ethisch bewerten müssen.

Zuvor hatte bereits Hes Universität in Shenzhen mitgeteilt, nichts von den Versuchen gewusst zu haben.

Die an Embryonen vorgenommene Manipulation mit der Genschere Crispr/Cas9 sollte nach Angaben von He die Kinder resistent gegen HIV machen. Ihm sei bewusst, dass seine Arbeit eine Diskussion auslösen würde, so He in seiner Videobotschaft, aber er glaube Familien brauchen diese Technik. Es gehe ihm nicht darum, Kinder zu erschaffen, deren IQ erhöht und deren Haar- und Augenfarbe ausgewählt werden kann.

„Unverantwortliche Versuche“

Der Deutsche Ethikrat verurteilte die Versuche zum Eingriff in die Keimbahn heftig. „Bei den Experimenten handelt es sich um unverantwortliche Menschenversuche“, wird Vorsitzender Professor Peter Dabrock in einer Mitteilung des Ethikrats zitiert. „Der Einsatz von Genome-Editing am menschlichen Embryo ist zum jetzigen Zeitpunkt und beim derzeitigen Stand der Technik in keiner Weise zu verantworten, erst recht nicht ohne einen dringenden medizinischen Grund“.

Die angeblich behandelten Embryonen hätten sich auch ohne den Eingriff zu gesunden Menschen entwickeln können, so Dabrock.

Klare Grenzen setzen

Auch die US-Chemikerin Professor Jennifer Doudna, die zusammen mit der französischen Mikrobiologin Professor Emmanuelle Charpentier die Genschere Crispr/Cas9 entdeckt hat, kritisierte das Vorgehen des chinesischen Wissenschaftlers.

„Wenn sich das bestätigt, stellt diese Arbeit einen Bruch mit dem zurückhaltenden und transparenten Vorgehen der globalen Wissenschaftsgemeinde bei der Anwendung von Crispr/Cas9 zum Editieren der menschlichen Keimbahn dar“, sagte Doudna am Montag in Hongkong. Es sei dringend erforderlich, der Genmanipulation bei Embryos klare Grenzen zu setzen.

Sowohl Doudna als auch He nehmen an einer Konferenz zum Thema Human Genome Editing an der Universität Hongkong teil, die noch bis zum 29. November läuft. Das Organisationskomitee der Veranstaltung hat auf seiner Homepage ein Statement zu Hes angeblicher Forschung veröffentlicht.

Hier verweisen die Organisatoren auf diverse Empfehlungen, die bereits im Zuge der Diskussion um die Eingriffe in die Keimbahn entstanden sind, etwa den umfangreichen Report der U.S. National Academies of Sciences, Engineering and Medicine.

Ob sich die chinesischen Forscher um He an solche Empfehlungen gehalten haben, müsse noch entschieden werden. Die Organisatoren hoffen, dass der Dialog bei ihrem Gipfeltreffen das Verständnis für die Probleme von humaner Gen-Editierung weiter voranbringe. Das Ziel sei eine verantwortungsvolle Forschung mit einem Nutzen für die Gesellschaft. (dpa, Mitarbeit: grz)

He Jiankuis Forschung

  • Das Team um He Jiankui soll ungewollt kinderlose Paare aus gesunder Mutter und HIV-infiziertem Vater dazu gebracht haben, bei den Versuchen mitzumachen.
  • Mittels künstlicher Befruchtung wurden Embryonen geschaffen, deren Erbgut mit Crispr/Cas9 verändert wurde.
  • Die Forscher zielten dabei auf das Gen für den CCR5-Rezeptor ab, an den sich HI-Viren für eine Infektion der Zelle anheften.
  • Es gibt keine geprüfte wissenschaftliche Veröffentlichung der Studie, lediglich einen Eintrag in einem chinesischen Register für klinische Tests.
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Nutzenbewertung

IQWiG erkennt keinen Zusatznutzen für Alzheimer-Antikörper Lecanemab

Kommunikationstrainer gibt Tipps

Aggressive Patienten: So können Ärztinnen und Ärzte deeskalieren

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

In der Niederlassung

Körperliche Untersuchung vor einem Ultraschall – sinnvoll oder nicht?

Lesetipps
Prof. Carolin Schneider in einem Hörsaal

© Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste | Bettina Engel-Albustin 2022

Junge Professorin

Carolin Schneider: Weibliches Vorbild in der Forschung

Ein Gefäß mit atherosklerotischen Plaques

© Tatiana Shepeleva / stock.adobe.com

Primärprävention

Empfehlungen aktualisiert: LDL-Cholesterin wann und wie senken?