Angebot für Bedürftige

Tierarztmobil behandelt kostenlos

Die Veterinärärztin Claudia Gomez bietet in Bonn bedürftigen Senioren eine kostenlose Behandlung ihrer Haustiere an. Wem sie außer den Haustieren noch hilft.

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Tierärztin Claudia Gomez (l) und
Assistentin Elke Wolf (r) stehen vor dem Tierarztmobil.

Tierärztin Claudia Gomez (l) und Assistentin Elke Wolf (r) stehen vor dem Tierarztmobil.

© Henning Kaiser / dpa / picture alliance

Bonn. Elke Wolf öffnet die Schiebetür des Tierarztmobils und steckt den Kopf heraus: „Der nächste, bitte!“ Vor dem umgebauten Krankenwagen in Bonn wartet schon Gunnar Beckers mit seinem Hund Knut.

„Er hat Zecken und wohl eine Entzündung“, sagt er. „Und könnten Sie bitte auch mal gucken, was mit seiner Herzinsuffizienz ist?“ In der mobilen Praxis des Vereins „Europäischer Tier- und Naturschutz e.V.“ (ETN) können mittellose Senioren ihre kranken Lieblinge kostenlos behandeln lassen.

„Bedarf ist riesig“

Seit vergangenem November ist das Tierarztmobil in Bonn unterwegs und macht zwei Tage pro Woche auf vier verschiedenen Plätzen Halt - mit Tierärztin Claudia Gomez und Assistentin Wolf an Bord. Anfangs sei die Resonanz noch gering gewesen, weil es vielen Klienten wohl unangenehm gewesen sei, das Angebot wahrzunehmen, erzählt Wolf. Doch inzwischen können sich die beiden Frauen vor Terminanfragen kaum retten.

„Der Bedarf ist riesig“, sagt Wolf. „Wir haben mittlerweile einen festen Stamm von etwa 400 Patienten – und jede Woche kommen neue hinzu.“ Die Sprechstundenzeiten von offiziell zwei bis drei Stunden je Standort reichen schon längst nicht mehr aus. Neben Akutbehandlungen, Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen führt Gomez in ihrer fahrenden Praxis auch kleinere Operationen durch.

Ursprünglich richtete sich das Projekt, das nach ETN-Angaben in dieser Form bundesweit einzigartig ist, nur an über 60-Jährige, die nicht genug Geld für einen Tierarztbesuch haben. Doch wegen der großen Nachfrage dürfen nun auch Bedürftige ab 40 Jahren kommen – sie müssen allerdings einen Eigenanteil von 15 Euro zahlen.

Beckers ist mit seinem Labrador-Husky-Mischling heute zum ersten Mal beim Tierarztmobil, nachdem eine Bekannte ihm davon erzählt hatte. „Allein die Herztabletten für Knut haben mich immer 52 Euro im Monat gekostet - das kann ich mir gar nicht leisten“, sagt er. Deshalb sei er dankbar, dass es jetzt diese Möglichkeit gibt.

Bedürftigkeit nachweisen

Die Tierbesitzer müssen einen Bedürftigkeitsnachweis vorlegen. Die Behandlungskosten finanziert der ETN durch Spenden – im Etat für 2021 sind nach Vereinsangaben 100.000 Euro eingeplant. Die Stadt Bonn unterstützt das Projekt organisatorisch, etwa bei der Auswahl der Standorte und Kontakten zu örtlichen Netzwerken, wie ein Sprecher erläutert.

Otto Bölke hat seinen Kater Moritz mitgebracht, der unter einer schweren Allergie leidet. „Ich muss ihm immer Spezialfutter kaufen“, erzählt Bölke. „Dann noch dauernd die Tierarzt-Kosten und die Medikamente – das könnte ich gar nicht alles bezahlen, ich habe nicht viel Geld.“ Darum ist Moritz inzwischen Dauerpatient beim Tierarztmobil.

Viele Lebensgeschichten

Er hat sich wieder einmal ganz wundgekratzt, auch die letzten Medikamente haben nicht geholfen. Gomez will dem Kater heute noch einmal Blut abnehmen, doch der wehrt sich zunächst laut jammernd. Bölke schluckt merklich, der Schweiß steht ihm auf der Stirn. „Alles wird gut. Wir kriegen das hin“, sagt Helferin Wolf und tätschelt dem 52-Jährigen beruhigend den Arm.

Nicht nur von den Tieren, auch von vielen Haltern kennen Wolf und Gomez mittlerweile fast die ganze Lebensgeschichte. „Sie schütten uns oft ihr Herz aus“, sagt Wolf. Manche Leute brächten aus Dankbarkeit Süßigkeiten oder kühle Getränke vorbei. „Wir helfen den Tieren, aber eigentlich auch den Menschen“, meint Gomez. „Darum mache ich meine Arbeit so gerne.“ (dpa)

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Kommentare
Dr. Horst Grünwoldt 21.07.202112:40 Uhr

Wie jede Arztpraxis auch, ist tierärztliches Handeln normalerweise an die örtliche Niederlassung des Praxisinhabers gebunden. Diese haben sogar die Großtier-Praktiker, wenngleich die zu ihren ländlichen Tierhaltern überwiegend ambulant unterwegs sein müssen. Als früherer prakt. Tierarzt ist mir aufgrund veterinärmedizinischer Überversorgung in den Städten längst bekannt, dass einige Kolleginnen sich durch sog. Tierschutzvereine vor den pseudohumanitären Karren spannen lassen, die tierärztliche Mindest-Gebührenordnung außer Kraft zu setzen. Stattdessen aber als steuerbefreiter Spendensammel-Verein tätig zu werden. Das ist grundsätzlich standeswidrig!
So fahren die in Stadt und Land "vagabundierend" herum im Interesse des Spendensammelvereins.
Jeder seriöse Tierarzt wird seiner treuen Klientel Gelegenheit geben, auch im finanziellen Engpass eine angemessene Lösung des Einzelfalls zu finden; so wie jeder Tierhalter Vorsorge zu treffen hat, dass sein vierbeiniger oder geflügelter Liebling als Lebewesen nicht nur die tägliche Fütterung und Pflege bekommt, sondern auch schon mal den Doktor Doolitle benötigt. Bekanntlich liegt das durchschnittliche Einkommen eines studierten Tierarztes deutlich unter dem eines Kinderarztes; ist aber gewiss nicht weniger aufwendig "hereinzuholen". Eine moderne Kleintierpraxis in D muss, um ein Familieneinkommen zu sichern, wenigstens 200 Tausend Euro Jahresumsatz machen. Davon sind mindestens 1/3 Praxiskosten für Miete, Personal und Materialaufwand abzuziehen. Das schaffen im übrigen nur noch die wenigsten Stadt-Tierärztinnen, ohne den zusätzlichen Verkauf von Tierbedarfsartikeln aller Art; zumal die meisten Apotheker auch noch im Tierarzneimittel-Handel "drinhängen". . .
Dr. med. vet. Horst Grünwoldt (Tierarzt i.R.), Rostock


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