Zwillingsstudie

Vom Einfluss der Gene

Eine über Jahre angelegte Studie mit Zwillingen zu den Ursachen von Erfolg und Ungleichheit im Leben liefert eine erste Zwischenbilanz.

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Vom Einfluss der Gene

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Bielefeld/Saarbrücken. Müssen Musterschüler den Eltern dankbar sein? Oder liegt es an ihrem Umfeld, dass sie gute Noten schreiben? Wie ist das im Beruf? Und haben Gene einen Einfluss auf das Wahlverhalten? Von einer groß angelegten Zwillingsstudie erhoffen sich deutsche Forscher neues Wissen zur Entstehung von sozialer Ungleichheit. Rund 4000 Zwillingspaare und deren Familienangehörige nehmen teil, nun können die Wissenschaftler mit ersten Ergebnissen aufwarten.

Denn ihrer Einschätzung nach sind genetische Anlagen und die Umwelt im Großen und Ganzen gleichermaßen für die Entwicklung junger Menschen verantwortlich. Kommen Jugendliche ins Erwachsenenalter, spielen die Gene eine immer größere Rolle, berichten Forscher der Universitäten Bielefeld und des Saarlandes.

Einwohnermeldeämter einbezogen

Die 2014 begonnene Befragung der Zwillinge und Angehörigen ist in vier Etappen über einen Zeitraum von acht Jahren angelegt. Dabei bekommen die nach dem Zufallsprinzip über Einwohnermeldeämter ausgesuchten Befragten größere Fragenkataloge vorgelegt. Ein vorläufiges Ergebnis von "TwinLife": der Ausbildungserfolg hängt nicht nur von den Eltern ab. "Wir haben herausgefunden, dass es deutliche genetische Effekte gibt", sagt Professor Rainer Riemann von der Universität Bielefeld. Er leitet die Studie zusammen mit Professor Martin Diewald in Ostwestfalen.

Die Kette "Gene beeinflussen die Intelligenz. Und Intelligenz ist die wichtigste Eigenschaft für die Bildung" ist nach Darstellung von Diewald zu einfach. Er macht beim Einfluss der Gene auf die schulische Entwicklung Einschränkungen. "Gene sind zwar sehr wichtig für die Intelligenzentwicklung. Bedeutsam ist aber insbesondere in Deutschland die sehr wichtige und vorentscheidende Einstufung in Schullaufbahnen", sagt Diewald. "Und die ist sehr stark durch die Bildung und die Klassenzugehörigkeit des Elternhauses geprägt."

Kompliziertes Wechselspiel

Schulnoten innerhalb der Schulzweige wiederum seien stärker durch die Gene beeinflusst, aber auch durch die soziale Herkunft, insbesondere das Einkommen der Eltern. "Es ist ein sehr kompliziertes Wechselspiel zwischen genetischen und sozialen Einflüssen, die unseren Bildungserfolg und später unseren Lebenserfolg erklären", betont Soziologe Diewald.

Auf jeden Fall spielen den Studienergebnissen zufolge genetische Voraussetzungen und Umwelt zusammen. "Dabei entwickeln sich Kinder bei gleichen genetischen Bedingungen in unterschiedlichen Umgebungen auch unterschiedlich", sagt Riemann. Sei niemand da, der sich um die schulische Entwicklung oder eine gute Sprache kümmere, entwickle sich die Intelligenz auch nicht so gut wie in einer normalen Umwelt.

Überrascht hat die Forscher ein Ergebnis zur Entwicklung von 17-Jährigen im Vergleich zu 23-Jährigen. Bei den Jüngeren sei die soziale Teilhabe am Leben, also die Mitwirkung in Vereinenoder Interessengruppen, noch stark von Vorlieben der Familie und der Umgebung abhängig. "Schon bei 23-Jährigen wandelt sich das Bild", sagt Riemann. Genetische Effekte würden bedeutsamer, die Familienumwelt spiele kaum noch eine Rolle.

Dabei sei es bei Zwillingen noch wichtig, ob sie ein- oder zweieiig sind. Eineiige Zwillinge ähnelten sich in ihrem Verhalten, zweieiige nicht. "Wenn die jungen Erwachsenen sich ihre eigenen Umgebungen aussuchen, richten sich die Verhaltensweisen stärker nach den genetischen Anlagen", betont der Forscher.

Das gilt nach den Zwischenergebnissen auch für politische Beteiligung am Leben. Da geht es zunächst um einfache Handlungen wie die Beteiligung an Unterschriftenaktionen. "Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die Beteiligten aus bildungsferneren Elternhäusern sich weniger engagieren." Auch auf die direkte Politik hat die Kombination aus Genen und Einfluss Folgen. Eine Frage lautete: "Zu welcher Partei tendieren Sie am ehesten?" Das Ergebnis: Kinder aus Familien mit hohen Bildungsabschlüssen bevorzugen tendenziell eher sozialdemokratische oder linke Parteien. Dabei nimmt der Einfluss der Familie im Alter zwischen 17 und 23 Jahren ab - und der genetische Einfluss zu. (dpa)

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