Von frühen Funden, späten Kliniken und jüngeren Nobelpreisträgern

Von Klaus Brath Veröffentlicht:

Wenn von der stolzen Tradition der deutschen Medizin die Rede ist, wird meist die Wirkungsstätte Berlin, werden vielleicht auch Städte wie Leipzig, Göttingen, Würzburg, Halle, Heidelberg, München und Köln genannt. Nur selten findet sich die Medica-Stadt Düsseldorf in einer solchen Aufzählung. Eher schon stellen sich Assoziationen wie Mode, Messe oder Kunst beim Namen der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt ein.

Doch obwohl die Geburtsstadt Heinrich Heines erst 1965 zur Universitätsstadt avancierte (zum Vergleich: die altehrwürdige Kölner Universität wurde 1388 gegründet), hat auch Düsseldorf gerade in Sachen Medizinhistorie eine facettenreiche Entwicklung zu bieten.

Daß die Düsseldorfer Region geschichtsträchtig ist, beweisen allein schon bedeutende Funde: So fanden 1856 Steinbrucharbeiter in einer Höhle im Tal der Düssel Knochenreste, die sich bei näherer Untersuchung als archäologische Sensation entpuppten - der erste Neandertaler war entdeckt. Und im nahe gelegenen Neusser Valetudinarium, einem Lazarett für römische Soldaten, wurden wertvolle medizinische Geräte ausgegraben. So fand sich ein gebogener Bronze-Katheter, der einem Fundstück aus Pompeji sehr ähnelt.

Von der Stadtgründung Düsseldorfs im Jahre 1288 an bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts, in den Steuerlisten gibt es zwar weder einen Hinweis auf einen akademisch gebildeten noch auf einen namentlich genannten Wundarzt. Danach jedoch hinterließen so manche bedeutende Persönlichkeiten, die man zunächst nicht unbedingt mit Düsseldorf assoziiert, ihre Spuren.

So war etwa Johann Weyer (1515 bis 1588), der als Bekämpfer des Hexenwahns und durch eine Abhandlung über die Magersucht in die Annalen einging, in Düsseldorf als Hofarzt tätig. Wilhelm Fabry von Hilden (1560 bis 1634), der bedeutendste Chirurg seiner Zeit, verbrachte seine Lehrjahre in Düsseldorf.

Und sogar Florence Nightingale, die Begründerin der modernen Krankenpflege in Großbritannien, lernte in Düsseldorf: 1850/51 verbrachte sie drei Monate in der von Theodor Fliedner gegründeten Diakonissenanstalt Kaiserswerth, die zur Heimstätte der modernen Diakonissenbewegung wurde.

Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die ehemalige Residenzstadt Düsseldorf rasant zur Großstadt. Es dauerte jedoch noch bis 1907, bis eine eigentliche städtische Krankenanstalt gegründet wurde. Vorher diente das aus einem Pilgerheim hervorgegangene St. Hubertus-Hospital mehr als Alters- und Pflegeheim; andere Einrichtungen wie das 1867 eröffnete Evangelische Krankenhaus und das 1871 eröffnete Marien-Hospital waren konfessionell geprägt.

1923 entstand die aus der 1907 gegründeten Akademie für praktische Medizin hervorgegangene Medizinische Akademie. Daß diese nicht nur während der NS-Zeit eine unrühmliche Rolle spielte, belegen neue medizinhistorische Studien von Dr. Wolfgang Woelk und anderen: So zeigten sich in partiellen Bereichen wie Zwangssterilisation oder Psychiatrie konzeptionelle und personelle Kontinuitätslinien vom Ersten Weltkrieg bis in die ersten Nachkriegsjahre.

Bei alldem hat die Düsseldorfer Medizin auch in neuerer Zeit bedeutende Ärzte und Gelehrte hervorgebracht - man denke nur an Koryphäen wie den Augenarzt Albert Mooren (1828 bis 1899; das heutige Universitätsklinikum ist in der Moorenstraße beheimatet), den Pionier der Sozialpädiatrie, Arthur Schloßmann (1867 bis 1932) oder den international renommierten Medizinhistoriker Hans Schadewaldt (geb. 1923).

Daß auch die heutige Düsseldorfer Hochschulmedizin mit ihren, laut Geschäftsbericht 2003, 34 Instituten und 32 Kliniken, in denen jährlich etwa 45 000 Patienten stationär behandelt werden, voller Potential steckt, bestätigte unlängst Ex-NRW-Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft: "Ich bin voller Hoffnung, daß es irgendwann einmal einen Nobelpreisträger aus Düsseldorf gibt", meinte sie 2004 bei einem Besuch des Düsseldorfer Universitätsklinikums.

Dabei haben deutsche Medizin-Nobelpreisträger längst in Düsseldorf gelehrt: Gerhard Domagk (1895 bis 1964), der die Sulfonamide in die Chemotherapie der bakteriellen Infektionen einführte, war ebenso an der Medizinischen Akademie Düsseldorf als Honorarprofessor tätig wie der Kardiologe Werner Forßmann (1904 bis 1979), der seine berufliche Karriere als Chefarzt des Evangelischen Krankenhauses beendete.

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