Wenn Alkohol und Pillen Teil der Partitur werden

BERLIN (dpa). In der Klassik-Branche wächst nach Angaben des Berliner Kurt-Singer-Instituts für Musikergesundheit der Medikamenten- und Alkoholmissbrauch.

Veröffentlicht:

"Meiner Erfahrung nach nehmen 25 bis 30 Prozent der Musiker regelmäßig Tabletten oder Alkohol gegen Auftrittsängste zu sich", sagte Instituts-Leiter Helmut Möller der "Berliner Zeitung". "Es gibt Studien, die diese Zahlen stützen. Und die Tendenz ist steigend."

Der Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung (DOV), Gerald Mertens, widersprach dieser Einschätzung. "Diese Zahlen halte ich für überzogen", sagte er. Es gebe auch keine flächendeckenden Studien zu diesem Thema. "Unter Drogen kann man gar nicht vernünftig spielen", sagte Mertens.

In Deutschland spielen nach DOV-Angaben 10 000 Musiker in 133 Kulturorchestern. Das Problem von Tabletten- und Alkoholmissbrauch gebe es dort wie in anderen Stressberufen auch, sagte Mertens. Orchestermusiker müssten über Jahrzehnte Höchstleistungen bringen. "Das gibt es so in keinem anderen Berufsstand", sagte Mertens.

Sowohl Mertens als auch Möller nennen als weiteren Grund für den Drogenmissbrauch den Konkurrenzkampf unter Musikern, der sich in Deutschland in den vergangenen Jahren extrem verschärft habe. "Es werden einfach mehr Musiker ausgebildet, als gebraucht werden. Hinzu kommt, dass Orchester schließen oder Stellen streichen", sagte Möller der Zeitung.

"Auf jährlich knapp 700 Hochschulabsolventen im Fach Orchestermusik in Deutschland kommen 100 bis 120 offene Stellen im Jahr. "Durch diese Konkurrenzsituation steigen die Ansprüche an Musiker ins Unmenschliche. Noch mehr Perfektion, noch mehr Virtuosität. Wenn jemand heute sein Konzertexamen nur mit gut abschließt, hat er praktisch keine Chance, überhaupt eine Stelle in einem Orchester zu bekommen", sagte Möller. "Dieser Druck führt zu massiven Auftrittsängsten."

Bei etwa einem Drittel der Musiker werde durch die Angst das Spiel einschränkt - etwa durch mangelnde Koordinationsfähigkeit der Hände oder Atemnot. Andere Auswirkungen sind Schlafstörungen, Depressionen und Angstzustände.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Was die MS-Behandlung auszeichnet

© Suphansa Subruayying | iStock

Lebensqualität

Was die MS-Behandlung auszeichnet

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

© AscentXmedia | iStock

Lebensqualität

Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

5 Kriterien der Charité

ME/CFS-Diagnose: So gehen Sie in der Hausarztpraxis vor

Erfolgreiche Teamarbeit

HÄPPI: So gelingt die Delegation in Hausarztpraxen

Lesetipps
Mit einer eher seltenen Diagnose wurde ein Mann in die Notaufnahme eingeliefert. Die Ursache der Hypoglykämie kam erst durch einen Ultraschall ans Licht.

© Sameer / stock.adobe.com

Kasuistik

Hypoglykämie mit ungewöhnlicher Ursache