„Verantwortungsvoller Schritt“ oder „unsolider Haushaltstrick“?

Pflege auf Pump: Kassen warnen vor Schuldenkrise bei der Pflege

Mit einem Milliarden-Darlehen sehen Koalitionspolitiker die Beiträge in der Pflege für das kommende Jahr stabilisiert. Den Vertretern der Pflegekassen ist ob des wachsenden Schuldenbergs eher mulmig zumute.

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„Scheinlösung“ für die Finanzierung der Pflege. Als solche sehen sehen Vertreter der Pflegekassen die jüngsten Entscheidungen zur Finanzierung der Pflege auf Pump.

„Scheinlösung“ für die Finanzierung der Pflege. Als solche sehen sehen Vertreter der Pflegekassen die jüngsten Entscheidungen zur Finanzierung der Pflege auf Pump.

© Uwe Anspach/dpa/dpa-tmn

Berlin. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat in der Nacht von Donnerstag auf Freitag in seiner Bereinigungssitzung zusätzliche 1,7 Milliarden Euro als Darlehen für die Stabilisierung der Sozialen Pflegeversicherung locker gemacht. In den Reaktionen darauf schwingt viel Skepsis mit.

Als „Scheinlösung“ hat der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands Jens Martin Hoyer das Manöver der Parlamentarier bezeichnet. Die „echten Probleme“ würden damit nur in die Zukunft verschoben, heißt es in einer Mitteilung des Verbands von Freitag. Bislang waren für den Ausgleichsfonds der SPV lediglich 1,5 Milliarden Euro als Darlehen vorgesehen.

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Die „Ausweitung der Kreditlinie“, so Hoyer, provoziere die Frage, aus welchen Mitteln die Pflegeversicherung das nun auf 3,2 Milliarden Euro aufgestockte Darlehen ab 2029 zurückzahlen solle. Dann wird die aktuelle Regierung nicht mehr im Amt sein. Hoyer verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass der Bund der SPV aus den Corona-Jahren noch rund sechs Milliarden Euro schulde. Zudem seien die versicherungsfremden Leistungen in der SPV nicht gegenfinanziert.

Die Stellvertretende Vorsitzende des BKK-Dachverbands Anne-Kathrin Klemm sagte am Freitag, dass die Verbindlichkeiten der Pflegekassen gegenüber dem Bund mit dem nun avisierten Darlehen insgesamt bereits auf 4,2 Milliarden Euro anwüchsen. Die früheren Darlehen seien noch nicht vollständig zurückbezahlt. Gleichzeitig sei der Bundeszuschuss von einer Milliarde Euro im Jahr gestrichen. Auch Klemm verwies auf die offene Pandemierechnung des Bundes. Würde der Bund dieses Geld zurückzahlen, wäre sofort Luft da, um den Beitragssatz stabil zu halten und notwendige Reformen in Ruhe anzugehen, sagte Klemm.

Die Berichterstatterin für den Gesundheitsetat der Fraktion Bündnis90/Die Grünen, die Ärztin Dr. Paula Piechotta, warf der Bundesregierung gar „kurzfristige und unsolide Haushaltstricks“ vor. Dies lasse sich an der hektischen Hau-Ruck-Aktion der Aufstockung des Darlehens an die SPV ablesen. Die Koalition verliere zunehmend ihre finanzielle und politische Handlungsfähigkeit, warnte Piechotta.

In den Regierungsfraktionen ist der Blick auf die Aktion ein anderer: „Die Pflegeversicherung bleibt 2026 stabil, der Beitragssatz steigt nicht“, teilten der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Christos Pantazis und die Pflegebeauftragte der Vorgängerregierung Claudia Moll und heutige Berichterstatterin für die Pflege am Freitag mit. Sie bezeichneten die Aktion als „verantwortungsvollen und haushaltsneutralen“ Schritt.

Zuletzt war der Beitrag zur Pflegeversicherung zum 1. Januar diesen Jahres um 0,2 Prozentpunkte erhöht worden. (af)

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