Kurzporträt
Wie Diethard Tauschel Medizinstudierenden einen ethischen Kompass mitgibt
Arzt Diethard Tauschel widmet sich mit seinem Team an der Universität Witten/Herdecke dem Thema Ärztliche Bewusstseinsbildung und Ethik am Beispiel der Medizin im Nationalsozialismus. Was sollen Studenten mitnehmen?
Veröffentlicht:Die Rolle, die viele Ärzte in der NS-Zeit eingenommen haben, ist eine schwere Hypothek, derer sich wahrscheinlich nicht alle Studierenden der Humanmedizin an deutschen Universitäten bewusst sind. Einer, der das unbedingt ändern will, ist der Arzt Diethard Tauschel. Seine Wirkstätte ist die Universität Witten/Herdecke (UW/H). Er und das Team des Integrierten Begleitstudiums Anthroposophische Medizin widmen sich nach Uniangaben bereits seit 2009 dem Thema Ärztliche Bewusstseinsbildung und Ethik am Beispiel der Medizin im Nationalsozialismus.
Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen – diesem Leitsatz entsprechend setzen sich Medizinstudierende der UW/H in einem dreijährigen Modellcurriculum kritisch mit den Verbrechen des Nationalsozialismus und den Implikationen für ihre eigene Berufsethik auseinander. 2019 fiel der Startschuss dafür.
„Als Dozierende und Ausbildende stellen wir uns die Frage: Wie können wir die professionelle Identitätsentwicklung von Medizinstudierenden fördern und ihr moralisches und ethisches Berufsverständnis schärfen, damit sie reflektiert und – wenn nötig – widerstandsfähig handeln?“, umreißt Tauschel seine Aufgabenstellung, die gerade gegenwärtig wieder an Bedeutung zu gewinnen scheint. Die Auseinandersetzung mit den Verbrechen habe nach dem Zweiten Weltkrieg entscheidend zur Entstehung der Berufsethik im Gesundheitswesen beigetragen, so Tauschel. Aus der Geschichte zu lernen, sei daher gerade auch für Studierende bedeutsam.
Tauschels Arbeitsschwerpunkte liegen laut UW/H in den Bereichen Medical Education sowie Integrative und Anthroposophische Medizin. Er unterrichtet in Anthropologie, Lernen lernen, Meditation und spirituellen Entwicklungsfragen sowie Didaktik. Besondere Anliegen seien ihm die Gestaltung der klinischen Ausbildung in der Humanmedizin – insbesondere die Frage, wie studierenden- und patientenzentrierte Lernumgebungen mit realen Patienten geschaffen werden können – und wie sich reflektiertes, moralisch bewusstes Handeln in der Ausbildung entwickeln lasse. (eb)