Außergewöhnliche Arztpraxis

Wo Eiskönigin Elsa Zähne bohrt

Dr. Anne Heinz arbeitet als Disney-Figur Elsa kostümiert mit Bohrer und Polierer. Aber in keiner gewöhnlichen Praxis: Die Medizinerin hat sich mit ihrer Kinderzahnarzt-Praxis „Dentiland“ in Wandlitz einen Traum erfüllt.

Von Jeanette Bederke Veröffentlicht:
Kinderzahnärztin Dr. Anne Heinz (Mitte), verkleidet als Eiskönigin Elsa, und ihre Arzthelferin Ari Dema mit ihrem zweijährigen Sohn Diar in der Kinderzahnarztpraxis „Dentiland“.

Kinderzahnärztin Dr. Anne Heinz (Mitte), verkleidet als Eiskönigin Elsa, und ihre Arzthelferin Ari Dema mit ihrem zweijährigen Sohn Diar in der Kinderzahnarztpraxis „Dentiland“.

© Patrick Pleul/dpa

Wandlitz. Wer die Kinderzahnarztpraxis von Dr. Anne Heinz in Wandlitz (Barnim) betritt, glaubt im ersten Moment, sich in der Tür geirrt zu haben: Der Anmelde-Tresen scheint aus großen, gestapelten Märchenbüchern zu bestehen. Dahinter warten junge Frauen mit strahlendem Lächeln, Micky-Maus-Ohren und Feen-Flügeln. Sie führen die jungen Patienten durch Flügeltüren eines überdimensionalen Kleiderschranks in den Wartebereich: Eine grüne, begehbare Baumhöhle, in der auf einem großen Monitor Trickfilme laufen.

Kinder, die mit Angst vorm Bohren zum Zahnarzt kamen, haben diese wohl spätestens hier vergessen. Zumal der typische Zahnarztgeruch fehlt. Und erst recht, wenn Kinderzahnärztin Heinz im Kostüm der beliebten Disney-Eiskönigin Elsa vor ihnen steht. Die 32-Jährige hat sich mit ihrer vor etwa zwei Monaten eröffneten Märchen-Praxis einen Traum erfüllt. „Ich wollte einen Ort für Kinder erschaffen, der nicht an Krankenhaus oder Medizin erinnern soll“, erzählt die gebürtige Oranienburgerin (Oberhavel).

Zwei Jahre Planung für die Praxis

Zwei Jahre lang hat sie ihre erste eigene Praxis geplant, letztlich eine siebenstellige Summe in die Umsetzung investiert und sie „Dentiland“ genannt. Denn bei einem Besuch im Disneyland Paris war ihr noch während ihres Studiums die Idee dazu gekommen. „Dort konnte ich beobachten, wie Kinder regelrecht verzaubert wurden.“

Gezaubert wird in den Wandlitzer Praxisräumen auch. „So ein paar Tricks inklusive glitzernder Zauberstäbe haben wir schon drauf. Spielerisch können wir die kleinen Patienten kennen lernen“, verrät Zahnarzthelferin Ari Dema.

Der Anmelde-Tresen im „Dentiland“ wirkt wie aus großen, gestapelten Märchenbüchern geschaffen.

Der Anmelde-Tresen im „Dentiland“ wirkt wie aus großen, gestapelten Märchenbüchern geschaffen.

© Patrick Pleul/dpa

Kindern in zauberhafter Umgebung die Angst zu nehmen, sei ein guter Ansatz, erklärt Bettina Suchan, Vizepräsidentin der Landeszahnärztekammer Brandenburgs. „Zahn- und Mundgesundheit von Kindern liegt uns besonders am Herzen. Dabei ist die Praxis von Frau Heinze ein kleiner Baustein in dem großen Zusammenspiel vieler Akteure in Brandenburg“, sagt sie. Das große Erfolgsrezept der Praxis seien ihre fünf einfühlsamen Mitarbeiterinnen und die Zeit, die sich alle in der Praxis für die Patienten nehmen, glaubt „Dentiland“-Chefin Heinz.

Vier Behandlungsräume

Insgesamt vier Behandlungsräume gibt es. Dorthin geht es durch einen Flur mit Sternenhimmel und Burgmauern. Hat der kleine Patient dort Platz genommen, blickt er auf ein riesiges Wandgemälde mit bekannten Disney-Figuren, wie Nemo, Mogli oder den König der Löwen. Für besonders ängstliche Kinder gibt es noch einen zusätzlichen Raum mit gemütlichen Ohrensesseln, Büchern und Spielen.

„Kinder auf eine märchenhafte Reise mitzunehmen, ist eine tolle Idee für einen entspannten Zahnarztbesuch“, sagt Katja Kühler, Beratungszahnärztin der Krankenkasse AOK Nordost. Das Ganze passiere im „Dentiland“ zudem auf hohem medizinischen Niveau. Ablenkung und Kommunikation seien im Umgang mit Kindern wichtig. „Wenn beispielsweise von Schlafwasser oder Zahndusche statt Spritze gesprochen wird, macht das viel aus“, erklärt sie.

2 Jahre

hat Kinderzahnärztin Dr. Anne Heinz an ihrem „Dentiland“ geplant. Die Idee kam ihr beim Besuch im Disneyland Paris.

Das besondere Flair der Wandlitzer Märchen-Praxis spricht sich herum. Rund 5000 Anmeldungen für einen Zahnarztbesuch hat das Team seit der Eröffnung Anfang Oktober in den ersten Wochen entgegen genommen, die Praxis ist ein halbes Jahr im voraus ausgebucht. Bisher wurden rund 500 Mädchen und Jungen behandelt. Im Fokus von Heinz steht dabei nicht nur das Gebiss des jungen Patienten. „Wir sind eine der ersten biologischen Kinderzahnarztpraxen, verwenden weder Amalgam, noch Stahlkronen und arbeiten ganzheitlich. Ich achte auf mögliche Defizite bei Körperhaltung oder Sprachvermögen und kontaktiere bei Bedarf Sportphysiologen oder Ernährungsberater“, erläutert Heinz. Eine Stunde nimmt sie sich für jeden neuen Patienten Zeit, um ihn von Kopf bis Fuß „durchzuchecken“.

Tränen nur beim Rausgehen

Die schönste Bestätigung ist für die junge Zahnärztin, wenn Kinder aus ihrer Praxis gar nicht mehr nach Hause wollen. „Da gab es schon ein paar, die haben geweint, als ihre Eltern sie hinausführen wollten“, erzählt sie lächelnd. Tränen der Angst habe sie bei den kleinen Patienten hingegen noch nicht erlebt. „Zur Freude der Kinder tanzen wir auch schon mal singend um den Behandlungsstuhl“, sagt Zahnarzthelferin Dema.

Trotz des Ansturms in der Praxis nimmt sich Heinz Zeit für ihre zweite Leidenschaft, die Musik. „Das Elsa-Kostüm ausgezogen, mein Bühnen-Outfit an – nach der Praxiseröffnung stand ich eine Stunde später als Rapperin Ansen auf der Stadtfestbühne in Oranienburg“, erzählt sie. Musik habe schon immer zu ihrem Leben gehört. „Mit 8 sang ich im Chor, stand wenig später auf öffentlichen Bühnen, schrieb in der 6. Klasse meinen ersten eigenen Song und wurde mit 14 von einem Musikproduzenten entdeckt.“ Die Hip-Hop-Kultur habe sie von jeher begeistert, deshalb habe sie zu rappen begonnen.

Inzwischen hat Heinz als Ansen mehrere Singles herausgebracht, Musikvideos gedreht und gibt schon mal Autogramme für junge Fans auf dem Behandlungsstuhl. „Wenig Schlaf, keine Freizeit – aber ich bin glücklich“, fasst die 32-Jährige ihr Leben zusammen. (dpa)

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