Shitstorm

Ärzte faxen Kassen lahm

Protest marsch: Die gezielte Faxaktion der Ärzte dürfte die Krankenkassen von allen Maßnahmen am deutlichsten getroffen haben. Doch damit nicht genug: Immer mehr Ärzte sprechen sich jetzt für Praxisstreiks aus.

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Ertrunken im Papierberg: Am Dienstag haben sich zahlreiche Ärzte über die Faxgeräte der Kassen hergemacht.

Ertrunken im Papierberg: Am Dienstag haben sich zahlreiche Ärzte über die Faxgeräte der Kassen hergemacht.

© Pawel Gaul / iStockphoto

NEU-ISENBURG (red). Bundesweit sind die Protestaktionen der Ärzte angelaufen und sie werden unterschiedlich von den verschiedenen Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und Ärzteverbänden begleitet.

Mit einer Faxaktion wollten Ärzte bundesweit am Dienstag die Leitungen der Krankenkassen blockieren.

An einem Thema scheiden sich allerdings die Geister. Soll es in einer nächsten Eskalationsstufe Praxisschließungen geben oder nicht?

Nach den Rückmeldungen, die bislang zum Beispiel an die KVWL gegangen sind, spricht sich die Mehrheit der niedergelassenen Ärzte in Westfalen-Lippe gegen Praxisschließungen aus, solange sie sich irgendwie vermeiden lassen.

Frage nach dem Notdienst

Im Saarland haben der Hausärzteverband und das Facharztforum Saar eine kurzfristige Befragung über die Bereitschaft zu Praxisschließungen gestartet. Beim Facharztforum geht die Tendenz derweil zu regelmäßigen Schließungen an den Montagen.

Nach einem Treffen des gemeinsamen Aktionskomitees sagte der Vorsitzende des Hausärzteverbands, Dr. Jürgen Bethscheider, man brauche ein Meinungsbild über Streikbereitschaft und Präferenzen.

So sei es denkbar, die Praxen für einen längeren Zeitraum, nur an Montagen oder halbtags zu schließen. Die Hausärzte müssten dann auch den Notdienst klären.

Der Chef des Facharztforums, Dr. Dirk Jesinghaus, präferiert die Montags-Variante. "Dies fiele auf und könnte man länger durchhalten", gab er auf Anfrage der "Ärzte Zeitung" zu bedenken.

Für die öffentliche Wahrnehmung komme es dabei entscheidend auf die Hausarztpraxen an. Auf jeden Fall seien sich alle Niedergelassenen einig, das man sich im Honorarstreit wehren müsse, sagte Jesinghaus.

Warten auf den Streikaufruf

Die Vorschläge der Bundesebene zu Nadelstichen gegen die Kassen stoßen dabei laut Bethscheider an der Saar auf große Resonanz.

Der "Papierkram" und Anfragen sollten demnach auf das Notwendigste reduziert und Krankenhauseinweisungen nicht hinausgeschoben werden.

Nach Angaben von Medi-Chef Dr. Werner Baumgärtner werde es Praxisschließungen erst geben, "wenn die Kassenärztliche Bundesvereinigung dazu aufruft, was voraussichtlich frühestens in der letzten Septemberwoche sein wird", heißt es.

Der Medi-Verbund wird am Mittwoch zusammen mit den regionalen Medi-Gruppen einen "Gesamtplan für Baden-Württemberg" festlegen.

Dort soll festgehalten werden, welche der "weichen" Protestmaßnahmen, die von der Allianz Deutscher Ärzteverbände vorgeschlagen wurden, umgesetzt werden, heißt es in einem Medi-Rundschreiben von Dienstag.

An der Urabstimmung über Protestmaßnahmen im Südwesten hat sich bis Montag bereits jedes vierte Medi-Mitglied beteiligt. Rund 96 Prozent der 1000 Ärzte, die bislang ihr Votum abgegeben haben, sprachen sich für Protestmaßnahmen aus.

Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen erklärte im Vorfeld, dass sie nicht davon ausgeht, dass im Freistaat gestreikt werde.

Der Vorstandsvorsitzende Dr. Klaus Heckemann betonte auf Anfrage, dass seine KV jedenfalls nicht dazu aufrufen werde, wohl aber zu Protestaktionen.

Mehrheit für Praxisschließungen

"Wir werden bewusst nicht sagen, wo und wie die nächste Aktionen stattfinden", so Heckemann. "Ärzte sind Freiberufler. Ob sie mitmachen oder nicht, entscheiden sie für sich."

Über Praxisschließungen wird dagegen im Nordwesten nachgedacht. "80 bis 90 Prozent sind für Praxisschließungen und immerhin 55 bis 60 Prozent für einen Marsch auf Berlin", sagt der Gynäkologe Dr. Christian Albring, der die Umfrage unter den Gynäkologen, Dermatologen und Orthopäden Niedersachsens koordiniert.

Auch hier fehlen allerdings noch die endgültigen Ergebnisse. Die KV Niedersachsen hat unterdessen ohne weitere Kommentare darauf hingewiesen, dass mit einigen Kassen Verträge über die formlosen Kassenanfragen bestehen sowie über das Ausfüllen der Bonushefte.

Das sind derzeit die Protestmaßnahmen, die von der KBV und den meisten Verbänden empfohlen werden.

"Wir legen die Kassen-Bürokraten einen Tag lang lahm" - das war das erklärte Ziel der "Operation Shitstorm" zu der in Berlin der Medi-Verbund und die Berufsverbände ihre Mitglieder für Dienstag aufgerufen haben.

Geplant war, dass Ärzte massenweise Faxe an Krankenkassen schicken, so dass deren Faxleitungen den ganzen Dienstag lang blockiert sind, diese Aktion war aus Sicht der Initiatoren offenbar erfolgreich.

Beim GKV-Spitzenverband waren die Leitungen schon am frühen Morgen blockiert.

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