Psychiatrie

Ärzte lehnen Entgeltkatalog ab

Seit Anfang des Jahres können Psychiatrien das neue Entgeltsystem PEPP testen. Doch nur wenige Kliniken nehmen daran teil. Denn die meisten leitenden Ärzte lehnen das System rundweg ab. Sie sehen die Versorgung Schwerstkranker bedroht.

Christiane BadenbergVon Christiane Badenberg Veröffentlicht:
Patienten in einer psychiatrischen Klinik: Der neue Entgeltkatalog setzt falsche Anreize für die Leistungserbringer, sagen viele leitende Ärzte.

Patienten in einer psychiatrischen Klinik: Der neue Entgeltkatalog setzt falsche Anreize für die Leistungserbringer, sagen viele leitende Ärzte.

© IPON / imago

NEU-ISENBURG. Leitende Ärzte an psychiatrischen und psychotherapeutischen Kliniken bewerten den Entgeltkatalog 2013 äußerst kritisch. Das zeigt eine Umfrage der Bundesdirektorenkonferenz (BDK) und der Arbeitsgemeinschaft der Chefärzte der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie an Allgemeinkrankenhäusern (ACKPA).

So beurteilten 87 Prozent aller Ärzte, die sich an der Umfrage beteiligt haben, den sogenannten PEPP-Katalog negativ und nur drei Prozent positiv. PEPP ist die Abkürzung für Pauschalierende Entgelte Psychiatrie und Psychosomatik.

BDK und ACKPA kritisieren, dass der Katalog das Leistungsgeschehen in der Psychotherapie und Psychiatrie nicht adäquat abbilde. Zudem würden viele falsche Anreize für Leistungserbringer gesetzt, die vor allem schwer psychisch Kranke benachteiligten.

So seien die Entgelte für die Behandlung monoton degressiv gestaffelt, kritisiert der BDK-Vorsitzende Professor Thomas Pollmächer. "Das heißt, es gibt für die allermeisten Patienten zu Anfang der Behandlung viel und dann immer weniger Geld pro Behandlungstag." Die Reduktion könne bis zu 75 Prozent betragen.

Der Verlauf der Entgelthöhe und die Abnahme hingen vor allem von der Diagnose ab, aber praktisch nicht von dem tatsächlichen Befinden des einzelnen Patienten, so Pollmächer, der Direktor des Zentrums für seelische Gesundheit am Klinikum Ingolstadt ist.

Druck auf Pflichtversorger wächst

Das werde dazu führen, dass sich die möglichst kurzfristige Behandlung weniger stark kranker Patienten für das Krankenhaus lohnt, die längere Behandlung schwer kranker Patienten aber nicht.

Seiner Meinung nach wird das vor allem in denjenigen Krankenhäusern zu Problemen führen, die sich an der regionalen Pflichtversorgung beteiligen. Denn diese Kliniken müssten alle Patienten aufnehmen.

Dagegen dürften zum Beispiel Psychosomatische Kliniken Patienten ablehnen. Sie hätten so die Möglichkeit, sich auf ökonomisch attraktive Patienten zu konzentrieren.

"Die Pflichtversorgungskliniken hingegen werden unter Druck geraten, die Behandlung schwer kranker Patienten zeitlich zu verkürzen", sagte Pollmächer der "Ärzte Zeitung".

Der PEPP-Katalog wurde im vergangenen Jahr vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) entwickelt und per Ersatzvornahme in Kraft gesetzt. GKV-Spitzenverband, Private Krankenversicherer und Deutsche Krankenhausgesellschaft hatten sich zuvor nicht auf einen Katalog einigen können.

Öffentliche Proteste?

Verbindlich soll das neue Entgeltsystem 2021 in Kraft treten. Bei der Befragung zeigte sich auch, dass ein Großteil (63 Prozent) der in Frage kommenden Kliniken nur wenig bis kein Interesse hat, an der Einführungsphase des Entgeltsystems teilzunehmen.

13,5 Prozent der Kliniken wollen bereits 2013 mit dem neuen System arbeiten, 23 Prozent planen das für 2014. Der Rest gab an, kein Interesse zu haben oder diese Frage noch offen lassen zu wollen. Jedes fünfte Krankenhaus nimmt an der Kalkulation des InEK teil, 17 Prozent denken darüber nach, aber wiederum 63 Prozent haben daran kein Interesse.

An Modellprojekten wollen dagegen einige Kliniken teilnehmen. Sechs Prozent überprüfen die Auswirkungen des neuen Entgeltsystems in Modellprojekten bereits in ihren Häusern. Zehn Prozent bereiten solche Projekte vor, 51 Prozent interessieren sich dafür.

69 Prozent der psychiatrischen und psychotherapeutischen Kliniken halten öffentliche Proteste für sinnvoll, um die von Fachgesellschaften und Trägervereinigungen geforderte Transparenz des Kalkulationsprozesses durchzusetzen.

Ärzte verlangen Transparenz

56 Prozent sprechen sich für einen flächendeckenden Verzicht auf eine Optierung aus, 34 Prozent plädierten für einen Ausstieg aus der Kalkulation. Mehrfachnennungen waren hier möglich.

Unterschiede in der Bewertung zeigten sich zwischen den Ärzten an Fachkrankenhäusern und an Allgemeinkrankenhäusern. So gaben 95 Prozent der Ärzte an Allgemeinkrankenhäusern eine insgesamt negative Bewertung des PEPP-Katalogs ab, bei den Fachkliniken waren es 81 Prozent.

Dieser Unterschied ist nach Pollmächers Auffassung darauf zurückzuführen, dass Leitende Ärzte an Allgemeinkrankenhäusern das Fallpauschalensystem aus der Somatik kennen "und seine negativen Auswirkungen aus eigener Anschauung, wenn auch nicht aus eigener Erfahrung" beurteilen können.

Sie wüssten deshalb, was sie von dem sehr ähnlichen PEPP-System zu befürchten hätten. Die Leitenden Ärzte in den Fachkrankenhäusern seien über dieses Thema dagegen weniger informiert.

Es zeigte sich auch, dass trotz der Vorbehalte etwa 19 Prozent der Kliniken an Allgemeinkrankenhäusern bereits 2013 mit dem neuen System arbeiten wollen, aber nur neun Prozent der Fachkliniken.

Aus der Umfrage geht auch hervor, dass unter den Leitenden Ärzten zwar die Bereitschaft besteht, die weitere Entwicklung eines neuen Entgeltsystem voranzutreiben, aber nur, wenn die entsprechenden Schritte transparent und ergebnisoffen erfolgten, so der BDK-Vorsitzende Professor Thomas Pollmächer und der Vorsitzende der ACKPA, Professor Karl H. Beise.

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