Notstand in Thüringen

Ärzte zur Behandlung verdonnert

Bei der KV Thüringen melden sich immer wieder Patienten, die in ihrer Region keinen Arzt mehr finden. Jetzt greift der Vorstand durch.

Von Robert Büssow Veröffentlicht:
Die KV Thüringen verpflichtet Ärzte zur Behandlung - allerdings wird "kein Zwang ausgeübt, sondern etwas Nachdruck", wie Vize Thomas Schröter betont.

Die KV Thüringen verpflichtet Ärzte zur Behandlung - allerdings wird "kein Zwang ausgeübt, sondern etwas Nachdruck", wie Vize Thomas Schröter betont.

© Getty Images/iStockphoto

WEIMAR. Es ist ein absolutes Novum in Thüringen: Erstmals werden Praxen von der Kassenärztlichen Vereinigung (KVT) zur Behandlung von Patienten verpflichtend beauftragt.

Der KV-Vorstand hat sich zu der ungewöhnlichen Maßnahme durchgerungen, nachdem sich immer mehr Patienten meldeten, die keinen Haus- oder Augenarzt mehr in ihrem Umkreis gefunden haben.

"Die bisher bewährte Verfahrensweise, durch persönliche Ansprache von Praxen durch die KVT im Einzelfall das Patientenproblem zu lösen, funktioniert nicht mehr. Auch aufgrund der steil ansteigenden Zahl der Vermittlungsersuchen aus bestimmten Regionen", sagte der KV-Vize Thomas Schröter.

Das ungewöhnliche Eingeständnis trug er am Mittwoch der Vertreterversammlung in Weimar vor. In seinem Vortrag reihten sich die verbalen Ausrufezeichen aneinander, vor allem um zu zeigen, dass die Zwangszuweisung von Patienten die ultima ratio für den KV-Vorstand gewesen sei.

Es geht um Versorgung in Gera und Gotha

"Es ist eine Notbeauftragung. Es ist wird kein Zwang ausgeübt, sondern etwas Nachdruck", betont Schröter. "Aus meiner Sicht sehen wir hier eine ganz neue Dimension von Ärztemangel. Ich gehe davon aus, dass dies eine Art Dammbruch ist. Aber wir können die Bürger in so einer Situation nicht allein lassen."

Konkret betroffen sind insbesondere Patienten in Gera, die keinen Augenarzt finden konnten, sowie ein neues Pflegeheim im Landkreis Gotha, das vergeblich nach einem Hausarzt sucht.

In den kommenden Tagen sollen dort ansässige Praxen mit der Aufforderung angeschrieben werden, die Patienten zu übernehmen, erklärte die KV. Demnach werden Praxen mit "relativ geringeren Fallzahlen im Vergleich zum Fachgruppendurchschnitt" mit der Behandlung beauftragt.

"Uns ist bewusst, dass dies nicht zur Beliebtheit der KV an der Basis beiträgt. An dieser Stelle hat die öffentlich-rechtliche Verantwortung unserer Körperschaft für die medizinische Versorgung der Bevölkerung jedoch Priorität", mahnte Schröter.

Notbeauftragung keine Dauerlösung

Auch mit dem Hinweis auf den erfolgreichen Honorarabschluss für dieses Jahr, der in einem Vergleich mit den Kassen zu einem beachtlichen Ergebnis von 6,99 Prozent geführt hatte.

"Wir dürfen nicht die Gesamtheit unserer Mitglieder dem Vorwurf der Nichterfüllung des Sicherstellungsauftrags aussetzen", sagte er. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund der "kampagnenbedingten Aufmerksamkeit der Medien", verwies er auf die millionenschwere Werbeaktion "Wir arbeiten für Ihr Leben gern."

Die Notbeauftragung sei auch notwendig, weil andernfalls alle Mitglieder der KV Thüringen mithaften, wenn der gesetzliche Sicherstellungsauftrag nicht mehr flächendeckend erfüllt werden kann.

Schröter weiter: "Die Krankenkassen sind berechtigt, die Gesamtvergütung zu kürzen, wenn wir diesem Auftrag nicht nachkommen."Vertragsärzte dürfen keine Behandlung ablehnen, es sei denn, sie sind überlastet oder das Arzt-Patienten-Verhältnis ist gestört. "Viele berufen sich auf das Argument Überlastung", so Schröter.

Die der KV vorliegenden Zahlen sprächen jedoch mitunter eine andere Sprache. Die Notbeauftragung sei aber nicht als Dauerlösung gedacht. Die KV werde sich nun verstärkt solchen Praxen widmen, die zwar eine volle Zulassung haben, aber diese nicht ausschöpfen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Ungemütliche Zeiten

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