BMG weist Kassen in die Schranken

Da die meisten Kassen noch keine pauschalen Abzugsbeträge definiert haben, wird die Mehr- kostenregelung auch weiter für Ärger in Offizinen und Arztpraxen sorgen.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
Erst selber zahlen, dann Rechnung einreichen: Wie hoch der Eigenanteil bei der Mehrkostenregelung kommt, müssen die Kassen ihren Versicherten beantworten. Noch haben die wenigsten solche Abschläge definiert.

Erst selber zahlen, dann Rechnung einreichen: Wie hoch der Eigenanteil bei der Mehrkostenregelung kommt, müssen die Kassen ihren Versicherten beantworten. Noch haben die wenigsten solche Abschläge definiert.

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Immerhin hat das Bundesgesundheitsministerium im Streit um die Mehrkostenregelung jetzt Position bezogen. Tenor: Die Kassen rechnen falsch, wenn sie ihren Versicherten bei der späteren Kostenerstattung nicht nur die Mehrkosten für ein anderes als ein rabattbegünstigtes Mittel anlasten wollen, sondern zusätzlich auch die gesetzlich vorgesehenen Hersteller- und Handelsabschläge.

 Damit dürfte der Versuch einiger Kassen, allen voran der AOK, die Mehrkostenregelung auf diesem Weg zu torpedieren, gescheitert sein.

Mit seiner Stellungnahme zur Mehrkostenregelung bestätigt BMG-Staatssekretär Stefan Kapferer die Rechtsauffassung des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller (BAH). Dessen Vorsitzender Hans-Georg-Hoffmann hatte sich an das Ministerium gewandt und besonders die rechtswidrige Haltung der AOK Baden-Württemberg beklagt.

Die Landes-AOK hatte gegenüber Apothekern hohe Abzüge für die Kostenerstattung nach Vorleistung durch die Versicherten kommuniziert. Zudem wurden aber auch die gesetzlichen Hersteller- und Apothekenrabatte von der Erstattung ausgenommen.

In der Sache blieb die AOK damit in der Spur ihres Bundesverbandes. Der hatte Ende Dezember mit der Begründung vor der Kostenerstattung für die Wahl eines nicht-rabattbegünstigten Arzneimittels gewarnt, die Versicherten hätten dann sowohl die Differenz gegenüber dem selektivvertraglichen Preis selbst zu tragen als auch die gesetzlich geforderten Abschläge.

Aufsichtsbehörden sollen den Kassen auf die Finger schauen

Staatssekretär Kapferer erklärte jetzt, dass die Krankenkassen nicht befugt seien, ihren Versicherten diese gesetzlichen Hersteller- und Handelsabschläge abzuverlangen, "da diese Beträge bereits von den Anbietern an die Krankenkassen geleistet werden".

Darüber hinaus habe das Ministerium die zuständigen Aufsichtsbehörden gebeten, darauf zu achten, "dass die Krankenkassen in ihren Satzungen eine rechtskonforme Umsetzung der Mehrkostenregelung vorsehen", heißt es. Einer weiteren Aufforderung des Ministeriums sind GKV-Spitzenverband und Deutscher Apothekerverband inzwischen - wenigstens teilweise - nachgekommen.

In einem Spitzengespräch wurden zu Wochenbeginn Modalitäten zur Abführung von Hersteller- und Apothekenabschlag bei der Mehrkostenregelung erörtert. Laut DAV sei es jedoch zu keiner Einigung gekommen. Nun will man sich in dieser Sache Ende Januar erneut treffen.

Erstmals ermöglicht das am 1. Januar in Kraft getretene Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz den Versicherten, statt Umstellung auf rabattvertraglich vorgesehene Produkte bei "ihrem" Produkt bleiben zu können, wenn sie die Mehrkosten selbst zahlen.

Das Gesetz sieht dafür zunächst eine private Kostenübernahme in der Apotheke vor sowie bei der späteren Kostenerstattung pauschalierte Abschläge zum Ausgleich der entgangenen selektivvertraglichen Rabatte und den Verwaltungsaufwand.

Bis dato haben die meisten Kassen noch keine Pauschalen zum Ausgleich individueller Rabatte definiert. Nach Auskunft des Bundesversicherungsamtes haben "erst die wenigsten" gesetzlichen Krankenkassen solche Abschläge in ihre Satzungen aufgenommen; aktuell weniger als 20. Allerdings würden es jetzt "täglich mehr", versicherte ein Behördensprecher auf Anfrage.

Die Mehrkostenregelung wird also weiterhin für Diskussionen in Arztpraxen und Offizinen sorgen. Patienten, die wissen wollen, wie viel sie denn nun für die Wunscharznei selbst zahlen müssen, sind an die Krankenkassen zu verweisen. Die nämlich stehen in der Pflicht - so jedenfalls sagt es das Bundesgesundheitsministerium - ihre Versicherten über die genauen Abzugsbeträge zu informieren.

Unterdessen befürchtet man bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, durch die verworrene Gemengelage könnten Patienten ihre Ärzte jetzt öfter mit dem Wunsch konfrontieren, die Aut-idem-Substitution auf dem Rezeptformular auszuschließen. KBV-Sprecher Roland Stahl: "Damit belasten Ärzte ihr Budget unnötig und die Kostenverantwortung wird so zurück in die Arztpraxis verlagert - das kann und darf nicht sein."

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