Interview

Bahr: "Ich habe Strafen nie geplant"

Die Medizin schmeckte bitter: Bei zu langen Wartezeiten sollten Ärzte bestraft werden. Im Interview stellt Minister Daniel Bahr klar: "Sanktionen habe ich nie geplant, der Vorschlag kam von anderen". Nun nimmt er die Kassen in die Pflicht.

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Bahr rückt sich zurecht: Strafen für Ärzte soll es bei langen Wartezeiten nicht geben.

Bahr rückt sich zurecht: Strafen für Ärzte soll es bei langen Wartezeiten nicht geben.

© Maurizio Gambarini / dpa

Ärzte Zeitung: Sie haben mit Ihrem Vorschlag, kollektive Strafen gegen niedergelassene Ärzte einzuführen, für Tumult gesorgt. Dann sind Sie zurückgerudert.

Bahr: Es ist Unsinn, dass ich Sanktionen als Strafaktion gegen Ärzte geplant hätte. Dieser Vorschlag war nicht meine Idee.

Ärzte Zeitung: Aber so ging es durch die Medien.

Bahr: Der Vorschlag zu gesetzlichen Sanktionen und Honorarkürzungen kam von anderen - ich habe diesen Vorschlag stets abgelehnt! Denn wir glauben nicht, dass man mit Strafaktionen das Wartezeitenproblem löst.

Gerade Ärzte, die viele Patienten im Wartezimmer haben, werde ich ja dadurch nicht mehr motivieren. Deshalb haben wie bereits letzte Woche einen anderen Vorschlag an die Fraktionen versandt.

Ärzte Zeitung: Wie sieht der Vorschlag aus?

Bahr: Wir brauchen eine praktikable Regelung mit vernünftigen Anreizen. Daher wollen wir die Selbstverwaltungspartner von Ärzten und Krankenkassen dazu verpflichteten, in ihren Mantelverträgen eine Regelung zu Wartezeiten zu vereinbaren.

Dadurch sollen die Kassen eingebunden werden, denn die sind auch in der Pflicht: Sie können die Verantwortung nicht immer nur auf die Ärzte schieben.

Ärzte Zeitung: Ihr Vorschlag ist aber noch sehr offen formuliert. Die Sanktionen sollen von der Selbstverwaltung selbst geregelt werden.

Bahr: Welche Mittel sie nutzen wollen, muss dann die Selbstverwaltung in ihren Verträgen gewährleisten. Die Selbstverwaltung von Krankenkassen und Ärzten werden da kreative Lösungen finden.

Der Chef der KBV Dr. Andreas Köhler hat unseren Vorschlag zurecht als konstruktiv begrüßt. Er sieht darin die Chance für die Kassenärztlichen Vereinigungen, die Kassen mit ins Boot zu holen, um gemeinsam die richtigen Anreize zu setzen.

Ärzte Zeitung: In Ihrem Vorschlag heißt es, der Sicherstellungsauftrag solle um "die angemessene und zeitnahe Zurverfügungstellung der fachärztlichen Versorgung" erweitert werden. Was ist damit konkret gemeint?

Bahr: Dafür sind die Selbstverwaltungspartner zuständig. Wir wollen vor allem, dass die Selbstverwaltung von Kassen und Ärzten den Auftrag annehmen, das Problem bei ungerechtfertigten Wartezeiten zu lösen.

Ärzte Zeitung: Wird das nicht ein Bürokratiemonster?

Bahr: Aber solche Verträge gibt es doch bereits. Zudem ist es bei dem Thema nicht mehr sachgerecht, dass sich Kassen und Ärzte die Verantwortung gegenseitig zuschieben.

Wir bringen die Partner an einen Tisch. Zudem gibt bereits heute positive Beispiele: Die KV Schleswig-Holstein hat zum Beispiel mit den BKKen eine Regelung zu den Wartezeiten gefunden.

Bei einem vorher festgelegten Termin darf es hier zum Beispiel nur eine Wartezeit von maximal 30 Minuten geben. Es ist also machbar - ohne Strafaktionen, in diesem Fall übrigens mit zusätzlicher Vergütung!

Ärzte Zeitung: Zudem sollen KVen den Notdienst auch durch die Kooperation und eine organisatorische Verknüpfung mit Krankenhäusern sicherstellen. Was genau wird sich verbessern?

Bahr: Es gibt so etwas heute schon in einzelnen Regionen. Wir wollen das unterstützen. Besonders junge Mediziner sagen, sie hätten Angst, wenn sie in die Fläche gehen, dass sie dann immer mehr Notdienste machen müssen. Diese Sorge wollen wir ihnen nehmen.

Ärzte Zeitung: Die FDP und vor allem Sie als Person sind vor zwei Jahren der große Hoffnungsträger der FDP gewesen. Inzwischen sind viele enttäuscht. Wie sieht die gesundheitspolitische Linie der FDP aus?

Bahr: Gegen Widerstände setze ich mich weiter für Freiheit und Verantwortung im Gesundheitswesen ein. Die FDP will Leistungen anerkennen. Wir stehen für eine Kultur des Vertrauens im Gesundheitswesen.

Mit dem Versorgungsgesetz geben wir Antworten auf die Versorgungsrealität. Wir setzen für junge Mediziner Anreize, in die Fläche zu gehen; wir entlasten Ärzte von bürokratischen Tätigkeiten und bauen Regressängste ab. Wir setzen auf eine leistungsgerechte Vergütung und mehr Flexibilität der Vergütung vor Ort.

Ärzte Zeitung: Es gibt eine Vielzahl von Baustellen: etwa das Thema GOÄ? Im letzten Interview mit der "Ärzte Zeitung" haben Sie gesagt, Sie müssten sich mit anderen Ressorts und mit den Bundesländern abstimmen. Ist hier schon etwas passiert?

Bahr: Wir schließen gerade die GOZ ab. Die kommt im September ins Bundeskabinett und geht dann in den Bundesrat. Wir haben parallel bereits mit der Vorbereitung der Novellierung der GOÄ begonnen. Eine erste Gesprächsrunde ist für Oktober eingeladen.

Ärzte Zeitung: Wie wahrscheinlich ist es denn, dass die GOÄ noch während Ihrer Amtszeit umgesetzt wird?

Bahr: An meinem Einsatz soll es nicht liegen. Ich werde mit Nachdruck daran, arbeiten, dass wir weit kommen.

Ärzte Zeitung: Hinzu kommt jetzt die Baustelle AMNOG: Es zeigt sich, dass dieses Gesetz wirtschaftspolitisch kontraproduktiv ist, weil es zu einem Stopp von Innovationen führt, wie die beiden Beispiele der letzten Wochen zeigen. Wie soll das Problem gelöst werden?

Bahr: Ich bin weiter der festen Überzeugung, dass das AMNOG der richtige Weg ist. Ich gehe weiter davon aus, dass der Gemeinsamen Bundesausschuss ein faires Bewertungsverfahren gewährleistet. Wir haben jedenfalls die richtigen gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen.

Das Interview führte Sunna Gieseke.

Lesen Sie dazu auch: Bahrs Medizin schmeckt Ärzten nicht

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