Bereitschaftsdienst ist Arbeitszeit - je nach Belastung aber mit Gewichtung

BRÜSSEL (spe). Bei der Revision der Arbeitszeitrichtlinie haben sich die deutschen Mitglieder der christlich-konservativen Fraktion im Europaparlament (EP) auf eine gemeinsame Linie verständigt. Nach dem Willen der Abgeordneten sollen Bereitschaftsdienstzeiten grundsätzlich als Arbeitszeit gewertet werden.

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Weiter ein Reiztherma: Ärzteprotest gegen Marathondienste in den Krankenhäusern.

Weiter ein Reiztherma: Ärzteprotest gegen Marathondienste in den Krankenhäusern.

© Foto: dpa

"Damit stellen wir klar, dass wir diese Arbeitsleistung in der Bereitschaftsdienstzeit ebenso wertschätzen wie reguläre Arbeitsstunden", sagt die CSU-Europaabgeordnete Anja Weisgerber.

Die Mitgliedstaaten beziehungsweise Tarifparteien sollten zugleich die Möglichkeit erhalten, die inaktiven Zeiten während des Bereitschaftsdienstes je nach Auslastung gesondert zu gewichten (siehe Bericht zum Tarifabschluss in Brandenburg Seite 8). Dadurch soll eine flexible Ausweitung der durchschnittlichen wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden innerhalb der unterschiedlichen Branchen, für die die Arbeitszeitrichtlinie gilt, ermöglicht werden. Hierzu zählen neben den Krankenhäusern beispielsweise auch die Feuerwehren und Rettungsdienste.

Keinesfalls jedoch dürfe die inaktive Zeit als Ruhezeit gewertet werden, da sonst im ärztlichen Bereich erneut Marathondienste von über 78 Stunden drohten, so der CDU-Politiker Peter Liese.

Wert legen die deutschen Abgeordneten ferner darauf, dass auf mitgliedstaatlicher Ebene oder zwischen den Sozialpartnern getroffene Überstundenregelungen (Opt out) nicht dazu führen dürfen, dass die durchschnittliche Wochenarbeitszeit für einzelne Arbeitnehmer mehr als 65 Stunden beträgt.

Der Marburger Bund (MB) kämpft derweil vehement gegen eine Änderung der bestehenden Vorschriften. Mit einer Aufteilung des Bereitschaftsdienstes in so genannte aktive und inaktive Phasen würden überlange Arbeitszeiten von Klinikärzten auf europäischer Ebene per Richtlinie wieder legalisiert, kritisiert die Ärztegewerkschaft. In geltenden Tarifvereinbarungen lässt der MB gleichwohl bereits Ausnahmeregelungen von bis zu 66 Wochenarbeitsstunden zu.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) unterstützt den im Juni getroffenen Kompromiss der EU-Regierungen. Flexible Arbeitszeitvereinbarungen seien nur möglich, wenn die inaktive Zeit während des Bereitschaftsdienstes nicht als Arbeitszeit gewertet würde, so DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum. Eine weitere künstliche Verknappung der ärztlichen Arbeitskräfte sei von den Krankenhäusern nicht mehr zu schultern, mahnt die DKG. Die von den europäischen Arbeits- und Sozialministern vorgeschlagene Einführung von Höchstarbeitszeiten stärke zugleich den Arbeitsschutz in deutschen Krankenhäusern, da die Tarifpartner bislang Wochenarbeitszeiten ohne maximale Begrenzung vereinbaren könnten.

Im Dezember soll das Plenum des EP über die Revision der EU-Arbeitszeitrichtlinie entscheiden.

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