Bedarfsplanung

Berliner Bezirke sorgen für Wirbel

Ein Bezirk oder viele kleine? Der Berliner Gesundheitssenator will die Bedarfsplanung im Land kräftig umbauen - die Aufteilung der Arztsitze wäre nicht wiederzuerkennen. KV und Hausärzte gehen auf die Barrikaden. Streit liegt in der Luft.

Von Johanna Dielmann-von Berg Veröffentlicht:
Czaja - will mit kleinen Bezirken planen.

Czaja - will mit kleinen Bezirken planen.

© Berliner Senat

BERLIN. Der Zwist zwischen KV und dem Berliner Gesundheitssenator Mario Czaja scheint sich neu zu entfachen. Am Freitag sendete der CDU-Politiker an Ärzte und Kassen eine deutliche Botschaft: Er will die Hauptstadt in kleinere Planungsbezirke einteilen.

Künftig sollen Morbidität und soziale Faktoren der Versicherten wie Lebenserwartung oder Arbeitslosenquote einfließen. Grundlage dafür könnten die zwölf Berliner Bezirke sein.

Das wäre bundesweit einmalig, ist doch bisher das Verhältnis Arzt pro Einwohnerzahl für die Bedarfsplanung ausschlaggebend. Die Morbidität geht nur indirekt über das Alter ein.

Dieses Konzept will die KV Berlin aber offenbar nicht mittragen. Auf Anfrage der "Ärzte Zeitung", Czajas Vorschläge zu beurteilen, verwies die KV darauf, der mit den Kassen abgestimmte Bedarfsplan werde am kommenden Dienstag gemeinsam mit den Kassen vorgestellt.

"Fest steht: Berlin bleibt für alle Arztgruppen ein Planungsbezirk", heißt es in der Einladung. Dies widerspricht Czajas Plänen, der am Freitag immer wieder betonte, man habe mit der KV für nächste Woche ein Gespräch über Zahlen und Konzept verabredet. Auch die Kassen hätten Gesprächsbereitschaft signalisiert.

Anlass für den Zwist geben wohl die Hausarztsitze. Bleibt Berlin ein Planungsbereich, wären wahrscheinlich neue Sitze nötig. Czaja will die Ärzte nur umverteilen: zuerst Hausärzte, später Fachärzte.

Denn "vor allem ältere Patienten, die einen höheren Versorgungsbedarf haben und nicht mobil sind, gehen zum Hausarzt in ihrer Nähe", sagte der Politiker. Dafür nähmen sie sogar eine schlechtere Versorgung in Kauf wie längere Wartezeiten auf einen Termin und in der Praxis.

Das geht aus einer Befragung von 1061 50- bis 75-Jährigen aus zwei Berliner Bezirken(Charlottenburg-Wilmersdorf und Treptow-Köpenick) hervor, die die Patientenbeauftragte für Berlin Karin Stötzner vorstellte.

Für Berlins Hausärzte hätte Czajas Modell drastische Folgen: Rechnerisch müsste jeder Dritte seine Praxis in einen anderen Bezirk verlegen. Dafür gibt es aber gute Gründe. Die Berliner Ärzte sind sehr ungleich verteilt.

Positive Signale von den Kassen

Beispiel Hausärzte: Insgesamt ist Berlin gut versorgt. Aber während Charlottenburg-Wilmersdorf bei Hausärzten 2010 auf einen Versorgungsgrad von 144 Prozent kam, waren es in Treptow-Köpenick nur 93 Prozent, so Czaja.

Spielten neben der Einwohnerzahl auch Morbidität und soziale Faktoren eine Rolle, müssten aus Charlottenburg-Wilmersdorf 133 Hausärzte wegziehen, so die Berechnungen der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales. Das andere Extrem ist Neukölln, hier müssten 185 zuziehen.

Ein weiterer Grund: Der Zusammenhang von Armut und Gesundheit ist hinreichend bekannt. Ein entsprechend höherer Versorgungsbedarf in sozial schwachen Regionen gehe aber bisher nicht in die Planung ein, so Czaja.

Ernst wird es aber erst, wenn der Landesausschuss von Ärzten und Kassen dem zustimmt. Über das neu geschaffene Landesgremium, das am 8. März seine Arbeit beginnen wird und dem Czaja als Senator vorsitzt, kann er nur eine Empfehlung an den Landesausschuss abgeben.

Czaja bekräftigte am Freitag, dass sowohl Kassen als auch KV im Vorfeld Gesprächsbereitschaft signalisiert hätten. Zuletzt hatte sich das Verhältnis des Gesundheitssenators zur KV schwierig gestaltet. Erst auf Druck des Senators soll die KV-Vertreterversammlung beschlossen haben, die Dienstverträge mit den drei Vorständen neu zu verhandeln.

Auch der Berliner Hausärzteverband hält nichts davon, "Berlin wie eine Torte zu zerstückeln", sagte der Vorsitzende Dr. Wolfgang Udo Kreischer der "Ärzte Zeitung".

Er plädierte dafür, dass die KV Anreize für Ärzte in unterversorgten Kiezen setzen solle. So sollten höhere Honorare oder die Befreiung vom Regressrisiko Hausärzte in diese Gebiete locken.

Von Kassenseite verlauteten bereits erste positive Stimmen zu Czajas Modell. Es brauche flexible Lösungen, um der ungleichen Ärzteverteilung zu begegnen, schreibt der AOK Nordost-Chef Frank Michalak in einer Mitteilung.

In der Planung müssten künftig auch Merkmale wie Demografie und Sozialindikatoren, etwa soziale Strukturen oder Arbeitsmarkt, berücksichtigt werden.

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