Hintergrund

Berliner Klinikchefs fühlen sich bei Kooperation ausgebremst

Mit dem kommunalen Konzern Vivantes und der Charité sind in Berlin die zwei größten Klinikunternehmen Deutschlands angesiedelt. Doch die Stadt hat auch die größten Finanzprobleme. Wie geht's weiter?

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:

Vivantes-Chef Joachim Bovelet wäre gern Vorstandsvorsitzender einer Aktiengesellschaft, und zwar einer kommunalen und gemeinnützigen. Diese Unternehmensform ist das erklärte Lieblingsmodell Bovelets. Davon verspricht er sich "wesentlich mehr Handlungsmöglichkeiten", als er sie jetzt als Geschäftsführer einer kommunalen GmbH hat.

Vergleicht er sich jedoch mit seinem "Kollegen" Professor Max Einhäupl, Chef der Charité Uniklinik Berlin, ist Bovelet mit seinem Geschäftsführerposten dann doch ganz zufrieden.

Einhäupl fordert mehr Gestaltungsmöglichkeiten

Einhäupl empfindet die engen Vorschriften für öffentliche Unikliniken in Länderhand als "Fesseln". Auch er plädiert bei den "Berliner Wirtschaftsgesprächen" wie Bovelet für mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Das Podium teilen sich die beiden Klinikchefs mit drei Politikern.

Kurz vor der Wahl am 18. September würde ihnen wohl jeder mehr Geld versprechen. Aber darauf kommt es weder Bovelet noch Einhäupl in erster Linie an. "Durch Handlungsfreiheit können neue Strukturen etabliert werden", so der Charité-Chef. Er zeigt sich überzeugt, dass das schließlich die wirtschaftliche Situation der Charité verbessern würde.

Als Beispiel solcher neuen Strukturen nennt Einhäupl die Laborfusion. Sie ist das erste Stück der Kooperation mit Vivantes. Durch diesen Zusammenschluss ist nach Angaben des Charité-Chefs das größte Krankenhauslabor Europas entstanden.

Mehr als 23 Millionen Analysen machen die 400 Mitarbeiter dort pro Jahr. Ein Wirtschaftsziel hat das neue Gemeinschaftsunternehmen bereits in diesem Jahr übertroffen. Geplant waren externe Erlöse von 800.000 Euro.

Laut Einhäupl steht jetzt schon fest, dass das Großlabor 2011 mehr als 1,3 Millionen Euro von Fremdkunden einnimmt. Außerdem soll es mit derzeit zwölf Standorten zur Konsolidierung der Strukturen zwischen Vivantes mit seinen neun Krankenhäusern und der Charité mit ihren drei Krankenversorgungsstandorten beitragen. Die Planungen für einen Neubau sind nach CharitéAngaben abgeschlossen.

Fusioniertes Großlabor ist eine Erfolgsgeschichte

Für Vivantes hat das gemeinsame Großlabor einen weiteren Vorteil gebracht. Laut Bovelet war es ausschlaggebend dafür, dass der kommunale Berliner Klinikriese das Interimsmanagement für das Klinikum Offenbach angetragen bekam. Dieser Auftrag ist dem Zuschlag für die Laborleistungen des Offenbacher Klinikums an das Labor Berlin gefolgt.

Die Kooperation von Vivantes und Charité wird seit Jahren politisch gefordert. Gleichzeitig scheint die Politik aber auch eines der Hindernisse für eine engere Zusammenarbeit zu sein. Die Opposition kritisiert die Zusammenarbeit der Senatoren, die für die Kliniken zuständig sind.

"Wie Katz und Hund" würden sich Gesundheitssenatorin, Wissenschafts- und Finanzsenator verhalten, so der Fraktionschef der Grünen im Abgeordnetenhaus Volker Ratzmann: "Das kann nicht funktionieren."

Charité und Vivantes - gemeinsames Portmonnaie

Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU im Abgeordnetenhaus Mario Czaja bemängelt, dass die Laborfusion das einzige Modell sei, auf das sich der Senat verständigen konnte. Auch Bovelet beklagt, dass die Politik keine klaren Entscheidungen über das Ausmaß der geforderten Kooperation der beiden Großkliniken trifft.

Eine Kooperation in der Krankenversorgung sei nur realisierbar, wenn Charité und Vivantes ein gemeinsames Portemonnaie erhalten, also zum Beispiel unter dem Dach einer Holding zusammengefasst werden. Geschieht dies nicht, dürfe nicht zu schnell zu viel von den beiden Klinikriesen erwartet werden.

Sowohl Bovelet als auch Einhäupl weisen darauf hin, dass die Laborfusion ein gutes Jahr Vorbereitungszeit gebraucht hat. Einer Kooperation beim Catering stehen derzeit unter anderem langfristige Verträge der Charité mit ihrem Caterer im Weg.

Die Zusammenarbeit beim Einkauf, bei Logistik, Sterilisation und Strahlentherapie - alles machbar, aber nur mit Zeit. Mehr als ein solches Projekt pro Jahr ist laut Einhäupl nicht realisierbar. Die Laborfusion habe über eine Million Euro und viel Arbeitszeit gekostet, sagt der Charité-Chef.

Kooperation ist deutlich besser geworden

Bovelet und Einhäupl legen große Einigkeit an den Tag. Es sei völlig obsolet, die Diskussion über Charité und Vivantes unter dem Aspekt der Konkurrenz zu führen, so Einhäupl. Er verweist auf das Beispiel der Kardiologie: Selbst wenn die Charité ihre drei kardiologischen Kliniken schließen würde, blieben acht Kardiologien bei Vivantes übrig, die sich Konkurrenz machen würden, so Einhäupl.

Bovelet macht keinen Hehl daraus, dass die Zusammenarbeit auch durch persönliche Faktoren mitbestimmt wird. Die Kooperation sei in den letzten Jahren deutlich besser geworden, sagt er.

Charité und Vivantes in Zahlen

Alle Angaben auf Basis der Jahrsabschlüsse 2010
Charité Vivantes
Umsatz 1,024 Mrd. Euro * 836,5 Mio. Euro
Mitarbeiter (Vollkräfte) 9.887 10.078 **
Mitarbeiter (Personen) 13.500 13.541
Betten 3.213 5.329
Stationäre Fälle 136.500 208.339
Ambulante Fälle 563.000 269.260
Investitionen 79 Mio. Euro 57 Mio. Euro
* inkl. 177 Mio. Landeszuschuss
** inkl. Tochterunternehmen
Quelle: Alle Angaben auf Basis der Jahresabschlüsse 2010 - Tabelle: Ärzte Zeitung
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