Zwischenbericht Pflege

Corona grätscht auch in die Bemühungen um bessere Pflegebedingungen

Gut zwei Jahre nach Gründung der Konzertierten Aktion Pflege haben die Minister Giffey, Heil und Spahn einen Zwischenbericht vorgelegt. Es wurden zwar Voraussetzungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen geschaffen – aber es gibt massive Hemmnisse.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Gesundheitsminister Spahn, Familienministerin Giffey und Arbeitsminister Heil stellen den Zwischenbericht zur Konzertierten Aktion Pflege vor. (v. r.)

Gesundheitsminister Spahn, Familienministerin Giffey und Arbeitsminister Heil stellen den Zwischenbericht zur Konzertierten Aktion Pflege vor. (v. r.)

© Kay Nietfeld/dpa

Berlin. Etliche Hürden, vor allem die COVID-19-Pandemie, haben dazu geführt, dass viele der Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege aus der Sicht der Betroffenen nur wie ein „Tropfen auf dem heißen Stein“ wirken. Aber: In keiner vorangegangenen Legislaturperiode habe eine Bundesregierung derart viel zur Sicherung guter Pflegebedingungen getan wie diese Koalition in den vergangenen zwei Jahren, betonten Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, Bundesarbeitsminister Hubert Heil (beide SPD) und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag bei der Vorlage eines Zwischenberichts der Konzertierten Aktion Pflege.

Daran wirken neben den drei Ministerien mehr als 40 Stakeholder aus dem Bereich Gesundheit und Pflege sowie die Sozialpartner mit. Das hat schon jetzt zu einer Fülle neuer Gesetze geführt, weitere sind in Arbeit. In der Kompetenz des Bundesgesundheitsministeriums wurde das DRG-System weitreichend modifiziert: Die Pflegepersonalkosten werden seit diesem Jahr aus den Fallpauschalen herausgerechnet und in ein von den Krankenkassen voll zu refinanzierendes Budget überführt. Tariflohnsteigerungen – nach der letzten Tarifrunde bis zu zehn Prozent – müssen von den Kassen voll übernommen werden.

Markt für Pflegekräfte ist leer

In der Altenpflege wurden zusätzliche Mittel für weitere 13.000 Stellen für Fachkräfte zur Verfügung gestellt. Weil aber der Arbeitsmarkt leer ist, ist dieses Programm nur begrenzt wirksam. Nach Angaben von Spahn gelang es, etwa 3600 Stellen zusätzlich zu besetzen. Im Gesetzgebungsverfahren befindet sich die Finanzierung von 20.000 weiteren Stellen für Pflegehilfskräfte, verbunden mit einem Qualifizierungsprogramm. In Arbeit ist ferner ein Personalbemessungsverfahren für stationäre Pflegeeinrichtungen.

Die Pläne für die Akquisition von Pflegekräften im Ausland sind, so Spahn, durch die Corona-Pandemie konterkariert worden und konnten bislang nicht umgesetzt werden, weil dies teils an Ausreisebestimmungen des Heimatlandes, aber auch an Einreisebestimmungen in die EU scheitert. Gleichwohl, so betont Spahn, seien allen Prozesse optimiert: das betreffe die Erteilung von Visa und die Berufsanerkennung der aus dem Ausland kommenden Pflegekräfte. So sei 2019 die Deutsche Fachkräfteagentur für Gesundheits- und Pflegeberufe eingerichtet worden. Sie übernimmt für die Philippinen, Mexiko und später auch Brasilien Anträge auf Einreise, Berufsanerkennung und Beschäftigungserlaubnis. Es wurde eine Zentrale Servicestelle Berufsanerkennung geschaffen, die ausländische Interessenten berät und sie durch das Anerkennungsverfahren begleitet. Die Goethe-Institute bemühen sich, auch unter Pandemie-Bedingungen weiterhin Angebote zur Sprachförderung aufrechtzuerhalten.

Eigenanteil Pflegebedürftiger deckeln

Einigkeit bestehe in der Koalition darüber, dass die Prinzipien der Teilkaskoversicherung Pflege reformbedürftig sind, so die Minister. Bislang führen Kostensteigerungen aufgrund von Mehrleistungen bei gedeckeltem Versicherungsanteil zu einem steigenden Eigenanteil der Pflegebedürftigen. Der Rückgriff auf Familienangehörige ist nun erst ab einem Bruttojahreseinkommen von mehr als 100.000 Euro möglich. Geplant ist, den Eigenanteil Pflegebedürftiger zu deckeln.

In der Kompetenz des Bundesarbeitsministeriums wurden die Voraussetzungen zur Festlegung von Mindestlöhnen geschaffen: Vom 1. Juli 2021 an 15 Euro pro Stunde für Pflegefachkräfte; für Hilfskräfte wird der Mindestlohn bis April 2022 auf dann bundeseinheitlich 12,55 Euro steigen. Pflegeeinrichtungen sollen künftig nur noch dann zugelassen werden, wenn sie ihre Mitarbeiter nach Tarif (oder besser) bezahlen. Verdi und die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche – diese repräsentieren allerdings nur einen Bruchteil der Arbeitgeber – haben einen Entwurf für einen bundesweiten Tarifvertrag für die Altenpflege erarbeitet. Basierend darauf wird das Bundesarbeitsministerium prüfen, ob der Tarifvertrag allgemein verbindlich gemacht werden kann.

Abschaffung des Schulgelds

Schwerpunktmäßig im Bereich des Familienministeriums wurden Initiativen zur Verbesserung der Ausbildungssituation ergriffen: die Abschaffung des Schulgeldes ab 2020 und eine geregelte Bezahlung der Auszubildenden mit einem Startgehalt von über 1000 Euro monatlich. Im Rahmen der Ausbildungsoffensive Pflege (2019 bis 2023) soll die Zahl der Ausbildungsplätze bundesweit um zehn Prozent gesteigert werden. Nach Angaben von Giffey erreichen Bayern und Sachsen-Anhalt schon jetzt diesen Steigerungsgrad. Andere Länder seien auf einem guten Weg. Im Rahmen des Digitalpakts Schule sollen auch Pflegeschulen technisch aufgerüstet werden. Im Bereich der akademischen Ausbildung sind inzwischen 30 Studiengänge gestartet.

Spätestens die COVID-19-Pandemie habe die gesellschaftliche Bedeutung der Pflege offensichtlich gemacht – „ohne die Pflege würden wir zusammenbrechen“, sagte Hubertus Heil. Aber „ein Beruf, der von sich als Notstandsgebiet redet, hat es schwer positiv wahrgenommen zu werden“, stellte Jens Spahn fest. Er fordert von den Pflegekräften, die positiven Momente ihres Berufs, die sie tagtäglich erleben, aktiv der Gesellschaft zu kommunizieren.

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