GMK-Beschluss

Coronavakzine von AstraZeneca vorerst nur für über 60-Jährige

Der Impfstoff von AstraZeneca soll vorerst nicht mehr an unter 60-Jährige verabreicht werden. Wer jünger als 60 ist, kann den Impfstoff zwar bekommen – aber nur nach Beratung mit dem Hausarzt. Die KBV lehnt eine „Überredung“ ab.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht: | aktualisiert:
Corona-Vakzine von AstraZeneca: Zur Verabreichung der zweiten Impfstoffdosis für jüngere Personen, die bereits eine erste Dosis von AstraZeneca erhalten haben, will die STIKO bis Ende April eine ergänzende Empfehlung abgeben.

Zur Verabreichung der zweiten Impfstoffdosis für jüngere Personen, die bereits eine erste Dosis von AstraZeneca erhalten haben, will die STIKO bis Ende April eine ergänzende Empfehlung abgeben

© dpa

Berlin/München. Die Bundesländer setzen die Corona-Impfungen mit AstraZeneca vorerst für Menschen unter 60 Jahren aus. Das teilte der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz (GMK), Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek, am späten Dienstagabend mit. Bei der Entscheidung orientierten sich die Länder an der neuen Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO).

Die STIKO hatte zuvor entschieden, „auf Basis der derzeit verfügbaren Daten zum Auftreten seltener, aber sehr schwerer thromboembolischer Nebenwirkungen“ die COVID-19 Vakzine von AstraZeneca nur noch für Personen im Alter ab 60 Jahren zu empfehlen. Entsprechende Nebenwirkung würden vier bis 16 Tage nach der Impfung ganz überwiegend bei Personen im Alter unter 60 Jahren auftreten.
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Empfehlung zur Corona-Zweitimpfung Ende April

Zur Verabreichung der zweiten Impfstoffdosis für jüngere Personen, die bereits eine erste Dosis von AstraZeneca erhalten haben, will die STIKO bis Ende April eine ergänzende Empfehlung abgeben. Da die Impfung mit AstraZeneca Anfang Februar begonnen wurde, sind bei einem empfohlenen Impfabstand von zwölf Wochen die ersten Zweitimpfungen Anfang Mai vorgesehen. Aktuell haben rund 2,2 Millionen Bundesbürger die erste Impfung mit AstraZeneca bekommen.

Die „positive Botschaft“ sei, dass der Impfstoff von AstraZeneca weiter an Menschen verimpft werden solle, die das 60. Lebensjahr vollendet hätten, sagte GMK-Vorsitzender Holetschek. Studien zeigten auch, dass es sich um einen hochwirksamen Impfstoff handele, der gegen schwere Krankheitsverläufe wirke. „Wir brauchen ihn, um angesichts der dritten Welle und gefährlicher Virusmutationen die Impfungen schnell voranzutreiben.“

Die Länder könnten nun entscheiden, ob sie bei der AstraZeneca-Vakzin die Impf-Priorisierung für Menschen über 60 Jahren aufheben, sagte Holetschek. „So können wir der Altersgruppe Ü60 schneller ein Impfangebot machen, was dringend notwendig ist.“

Impf-Beratung in Arztpraxen

Zudem habe die GMK gemäß STIKO-Empfehlung beschlossen, dass sich auch Menschen der Priorisierungsgruppen 1 und 2 unter 60 Jahren weiterhin mit AstraZeneca impfen lassen könnten – sofern „dies nach ärztlichem Ermessen und individueller Einschätzung entschieden wird“, so Holetschek. Diese Impfungen sollten in den Arztpraxen vorgenommen werden. „Wer AstraZeneca haben will, sollte es auch bekommen.“

Haus- und Facharztpraxen sollen regelhaft nach Ostern in die Impfkampagne einsteigen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will sich am Donnerstag gemeinsam mit dem Vorstandschef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen, zum Impfstart in den Hausarztpraxen äußern.

KBV: Keine Zeit für Überzeugungsarbeit

Auch für Vertragsärzte gelte „selbstverständlich“ die STIKO-Empfehlung, sagte der KBV-Vorstandsvize Dr. Stephan Hofmeister der „Ärzte Zeitung“ am Mittwoch. „Jedes Abweichen davon hat deutlich erhöhten Beratungs- und Aufklärungsbedarf und gegebenenfalls ein erhöhtes Haftungsrisiko für den Arzt zur Folge.“

Man teile grundsätzlich die Einschätzung, dass AstraZeneca ein „gut wirksamer und gut verträglicher Impfstoff“ sei, so Hofmeister. Ein Konzept, wonach Ärzte „mit immensem Aufwand“ Bürger von AstraZeneca überzeugen oder überreden sollten, lehne die KBV aber ab. „Dieser Zeitaufwand würde zu einem starken Effektivitätsverlust in den Praxen führen und eine massiv Verlangsamung der Impfkampagne zur Folge haben.“ Auch die Regelversorgung würde darunter leiden.

Der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands (SpiFa) erklärte auf Anfrage: „Jedwede Aktivitäten der Bundes- und Landesregierungen zur Beschleunigung der Corona-Schutzimpfungen begrüßen wir ausdrücklich.“ AstraZeneca sei nach derzeitigen Erkenntnissen der Impfstoff, der für ältere Bevölkerung gut geeignet sei. „Somit kann dann anderer Impfstoff für die anderen Bevölkerungsgruppen genutzt werden.“

FDP: Erneuter Rückschlag für die Impfkampagne

Die FDP sprach von einem „erneuten Rückschlag für die Impfkampagne der Bundesregierung“. Diese müsse jetzt alles tun, um einen weiteren Vertrauensverlust in der Bevölkerung zu verhindern, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Christine Aschenberg-Dugnus am Mittwoch in Berlin.

Dafür müsse mit Daten und Auswertungen über Nebenwirkungen transparent umgegangen werden. Zudem solle klar kommuniziert werden, dass AstraZeneca beim Schutz vor Corona für über 60-Jährige hocheffizient sei.

In Bayern starten bereits an diesem Mittwoch rund 1600 Praxen mit dem Corona-Impfen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Gesundheitsminister Spahn hatten in einer Pressekonferenz erklärt, es sei wichtig, dass die Menschen den Impfstoffen vertrauen könnten. „Vertrauen entsteht aus dem Wissen, dass jedem Verdacht, jedem Einzelfall nachgegangen wird“, sagte Merkel.

70 Millionen Impfdosen im zweiten Quartal

Spahn betonte, es sei „ohne Frage ein Rückschlag“ für die Impfkampagne, wenn von einem der derzeit verfügbaren Impfstoffe für eine bestimmte Altersgruppe offenbar ein erhöhtes Risiko ausgehe. Bislang seien 31 Fälle einer Hirnvenenthrombose nach Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff gemeldet worden, neun seien tödlich verlaufen. Es seien überwiegend Frauen im Alter unter 60 Jahren betroffen gewesen.

Wichtige Fragen und Antworten zur AstraZeneca-Vakzine hat das BMG hier zusammengestellt.

Deutschland rechne im zweiten Quartal mit rund 70 Millionen weiteren Impfdosen – davon entfielen etwa 15 Millionen Dosen auf den Impfstoff von AstraZeneca, erläuterte Spahn. „Das gibt uns die Möglichkeit, schon im zweiten Quartal einen deutlichen Unterschied zu machen zum ersten Quartal.“ Hielten die Hersteller ihre Lieferzusagen ein und bekämen alle weiteren Impfstoffe „wie geplant“ ihre Zulassung, könne allen Bundesbürgern im Verlauf des dritten Quartals ein Impfangebot gemacht werden.
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