Saudi-Arabien

Damoklesschwert MERS?

Saudi-Arabien hat dem MERS-Virus den Kampf angesagt. Die Infektionswelle konterkariert Bemühungen von Ländern in der gesamten Region, sich zu den Nationen mit Spitzenmedizin und Top-Ärzten aufzuschwingen. Steht und fällt die Realisierung dieser Vision mit der Beherrschung der MERS-Krise?

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Zu Saudi-Arabien gehören Scheichs und Kamele dazu. Künftig will das Königreich sich auch einen guten Namen durch spitzenmedizinische Leistungen machen.

Zu Saudi-Arabien gehören Scheichs und Kamele dazu. Künftig will das Königreich sich auch einen guten Namen durch spitzenmedizinische Leistungen machen.

© Tips Images / Bildagentur-online / dpa

Saudi-Arabien kämpft derzeit gegen das Middle East Respiratory Syndrome-Coronavirus (MERS-CoV). Die Zahl der durch die 2012 entdeckte neue Spezies der Gattung Betacoronavirus bedingten Todesfälle nimmt drastisch zu.

Die Infektionswelle trifft das streng wahhabistisch geprägte, autoritär geführte Königreich zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Denn Saudi-Arabien legt großen Wert auf die Gesunderhaltung seiner Bevölkerung und investiert laut einer aktuellen Studie des Deutschen Orient-Instituts 19 Prozent des Staatshaushaltes in den Gesundheitssektor.

Im aktuellen Fünf-Jahres-Plan, der bis zu diesem Jahr reicht, sind laut Studie umgerechnet 46,4 Milliarden Euro für Gesundheitsausgaben vorgesehen. Bis 2016 sollen 138 neue Kliniken entstehen.

Klinikärzte erkannten Virus nicht

Die Tatsache, dass vor Kurzem in Dschidda ein Klinik-Labormitarbeiter an den Folgen einer MERS-Infektion gestorben ist, lässt die Bemühungen der Staatsführung in einem schlechten Licht erscheinen - zumal es bereits der zweite Tod eines Krankenhausangestellten durch das gefährliche Virus war.

Nach Informationen der Zeitung "Saudi Gazette" hatten Ärzte in einem privaten Krankenhaus bei dem Laboranten das Coronavirus MERS zunächst nicht erkannt. Ihre Diagnose lautete auf "Denguefieber".

Von außen betrachtet konterkariert die aktuelle Entwicklung auch das selbst gesteckte Ziel des Landes, zu den führenden medizinischen High-Tech-Nationen - regional wie global - vorzustoßen. So hatte Saudi-Arabien vor gut einem halben Jahr erst - und damit zu einem Zeitpunkt, als MERS noch keine Bedrohung darstellte wie gegenwärtig - bekannt gegeben, die Gesundheit seiner Bevölkerung besser verstehen und Krankheiten künftig strategisch bekämpfen zu wollen.

Grundlage dafür soll nach Aussage der King Abdulaziz City for Science and Technology (KACST), eines staatlichen Leistungsträgers, die Erforschung des saudischen Humangenoms sein. 100.000 Saudis könnten sich laut KACST auf Wunsch ihr eigenes Erbgut sequenzieren lassen. Zur Bestimmung des Genoms sei jetzt eine Kooperation mit dem Biotechnologie-Unternehmen Life Technologies gegründet worden.

The Saudi Human Genome Program, so wird das landesweite Forschungsprojekt zur Untersuchung der genetischen Basis aller Krankheiten im Königreich Saudi-Arabien und im gesamten Nahen Osten genannt, soll nach KACST-Angaben als Studie zur bestmöglichen Personalisierung der Gesundheitsversorgung in Saudi-Arabien genutzt werden.

In den nächsten fünf Jahren solle über ein Netzwerk, dem zunächst zehn Genomzentren aus ganz Saudi-Arabien angehören, insgesamt 100.000 Humangenome entschlüsselt werden.

MERS-Krise hat Strahlkraft über Saudi-Arabien hinaus

Indirekt kann MERS wie ein Damoklesschwert über der gesamten Arabischen Halbinsel schweben und andere Länder in der Region heftig treffen, die dabei sind, sich als attraktiver Arbeits- und Forschungsort für Spitzenmediziner aus aller Welt zu positionieren. Exemplarisch dafür steht das im Bau befindliche Sidra Medical and Research Center in der katarischen Hauptstadt Doha.

Nach Klinikangaben geht die Idee für das Projekt auf Sheika Moza bint Nasser aus der königlichen katarischen Familie zurück. Nach bint Nassers Vorstellung soll das Sidra nach seiner Fertigstellung zu den weltweit führenden Forschungskrankenhäusern zählen.

Um diesen Erfolg zu garantieren, wurde Professor Joachim Dudenhausen, ehemaliger Leiter der Klinik für Geburtsmedizin der Charité in Berlin, von Katar verpflichtet. Er soll als Head of Medical Services dafür sorgen, dass das öffentlich abgegebene Leistungsversprechen eingehalten wird.

Deutsches und internationales medizinisches Know-how ist auch in Katars unmittelbarer Nachbarschaft gefragt. So setzen die Vereinigten Arabischen Emirate auf deutsche und andere westliche Fachärzte. Exemplarisch hierfür steht die Dubai Healthcare City.

Das nach eigenen Angaben größte zusammenhängende Gesundheitsareal der Welt beherbergt mehr als 100 medizinische Einrichtungen und setzt auf Spitzenmedizin(technik), um so auch ein Stein im Brett zu haben bei Medizin-Touristen aus aller Welt.

Sollte sich MERS jedoch in der Region als nur schwer oder vielleicht gar nicht beherrschbare Infektionswelle herausstellen, so ist denkbar, dass sich die umworbenen Top-Ärzte nicht zuletzt auf Grund der Bedrohung durch MERS gegen ein Engagement in einem arabischen Land entscheiden.

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