Vernetzte Gesundheit
Das "Wir-Gefühl" fehlt
Kein "Wir-Gefühl", Überregulierung. Warum es mit der Vernetzung nicht klappt, dafür gibt es viele Gründe.
Veröffentlicht:KIEL. "Spitzentreffen einer Boombranche": Zum Auftakt des Kongresses "Vernetzte Gesundheit" in Kiel geizte das ausrichtende Landeswirtschaftsministerium nicht mit Superlativen.
Zugleich stellte Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) aber fest, dass das Gesundheitswesen seine Potenziale nicht ausschöpft.
Woran das liegt, beantwortete der Wirtschaftspolitiker selbst: Fehlendes "Wir-Gefühl" der Branche, starker Lobbyismus und kaum Verzahnung. Dass die nicht stattfindet, liegt nach Ansicht von Klinikmanager Dr. Roland Ventzke auch an der Politik.
Der Verwaltungschef des Städtischen Krankenhauses Kiel erinnerte an die gescheiterten, weil politisch nicht nachhaltigen Bemühungen um die integrierte Versorgung in Deutschland.
"Alle probieren sich am Thema aus, alles ist Stückwerk geblieben", lautete Ventzkes Fazit. Zugleich appellierte er an die Politik, dauerhaft verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen.
Überregulierung bei Budgets und Datenschutz
Arzt Dr. André Kröncke, Gründer der besonders in der Flüchtlingsversorgung engagierten Notarztbörse, lenkte den Fokus auf die Überregulierung, für die er neben dem Gesetzgeber auch die eigenen ärztlichen Institutionen verantwortlich sieht.
Als Folge hätten sich die unterschiedlichen Bedingungen im stationären und ambulanten Sektor weiter auseinander entwickelt. Klinikärzte, die in die ambulante Versorgung wechseln, finden sich nach seiner Beobachtung im neuen Sektor nur schwer zurecht.
Als Beispiele für Überregulierung nannte Kröncke Budgets, die Konsequenzen bei einem Wechsel von einer Landesärztekammer zur nächsten und die Bestimmungen des Datenschutzes.
Diesen Punkt griff auch Michael Franz von der CompuGroup auf. Er warnte davor, Menschen über Datenschutzbestimmungen zu "entmündigen".
Die Entwicklung in Deutschland führe sonst irgendwann zu einem "ICD-Code Tod durch Datenschutz", sagte Franz scherzhaft. Fest steht für ihn, dass die Digitalisierung erheblich dazu beitragen könnte, die vermisste Vernetzung zu beschleunigen.
Hierbei sieht er die Akteure noch nicht aufgeschlossen genug: "Ich habe das Gefühl, dass die Patienten schon weiter sind als die Dienstleister."
Baas: Größere Transparenz durch E-Patientenakte
Auch TK-Chef Dr. Jens Baas ist überzeugt, dass die Patienten die Vorteile etwa einer elektronischen Akte stärker einschätzen als die Risiken.
Er verspricht sich größere Transparenz von einer elektronischen Patientenakte, die nach seiner Ansicht Aufgabe der Kassen ist - die dann auch die Kosten dafür zu tragen hätten.
Ohne digitale Unterstützung wird es nach Baas Einschätzung nicht die Transparenz im Gesundheitswesen geben, die für eine bessere Versorgung erforderlich wäre.
Derzeit schätzt er das Bemühen der Akteure, diese Situation zu verbessern, aber gering ein.: "Alle versuchen, Transparenz zu verhindern." (di)