Gesundheitsfonds

Defizit größer als bekannt

Der Gesundheitsfonds hat im ersten Quartal ein deutlich größeres Defizit eingefahren als offiziell bekannt. Das Problem ist das jüngst beschlossene Begleitgesetz zum Bundeshaushalt.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Sieht voll aus. Ist er aber nicht.

Sieht voll aus. Ist er aber nicht.

© McPHOTO / blickwinkel / picture alliance

FRANKFURT/BERLIN. Frankfurt/Berlin. Der Gesundheitsfonds steckt tiefer in der Kreide, als die offiziellen Zahlen für das erste Quartal offenbaren. Darauf hat die Bundesbank in ihrem Monatsbericht für Juli hingewiesen.

Nominal hat der Gesundheitsfonds das erste Quartal ein Defizit von 1,5 Milliarden Euro verbucht. Eingepreist in dieser Zahl ist der Bundeszuschuss, der an den Fonds in Raten überwiesen wird. Der Zuschuss im ersten Quartal erfolgte unter der Annahme, dass der Fiskus für das gesamte Jahr 14 Milliarden überweist.

Mit dem Haushaltsbegleitgesetz, das der Bundestag mit dem Bundeshaushalt kürzlich beschlossen hat, ist der Steuerzuschuss zugunsten der GKV aber auf 10,5 Milliarden Euro gesenkt worden. Wird dies berücksichtigt, dann beträgt das Minus im Gesundheitsfonds im ersten Quartal statt 1,5 nun 2,5 Milliarden Euro.

Das Einnahmeplus der Krankenkassen beträgt in diesem Zeitraum vier Prozent. Die Ausgaben sind mit sechs Prozent allerdings noch deutlich stärker gewachsen. Als "Kostentreiber" nennt die Bundesbank die Ausgaben für Arzneimittel, da der Herstellerrabatt zum Jahresbeginn auf sechs Prozent - seit April auf sieben Prozent - gesunken ist.

Für das Gesamtjahr erwartet die Bundesbank, dass die GKV - mit Ausnahme des Krisenjahres 2009 - erstmals seit 2003 wieder mit einem Defizit abschließt. Angesichts eines Ausgabenwachstums von über vier Prozent im Gesamtjahr könnte sich "der Überschuss des Vorjahres in ein Defizit verwandeln", heißt es.

Zudem sei "der Verzehr der Rücklagen im GKV-System vorgezeichnet. Die noch hohen Rücklagen dürften nicht darüber hinwegtäuschen, dass "ein wieder größerer finanzieller Druck absehbar ist", sodass Beitragssatzanhebungen zu erwarten sind, warnt die Bundesbank. Anders als in der Rentenversicherung gebe es in der GKV keine "Dämpfungsfaktoren" bei der Beitragssatzentwicklung.

Die Bundesbank geht daher davon aus, dass der Gesetzgeber wieder fallweise in die Vergütung und in den Leistungskatalog eingreifen wird. Um den Druck auf die Beitragssätze abzufedern, empfiehlt die Bundesbank, Patienten mehr Informationen über die in Rechnung gestellten Behandlungen und Kosten zu geben.

"Das könnte beispielsweise durch einen (teilweisen) Wechsel vom Sachleistungs- zum Kostenerstattungsprinzip verbessert werden", heißt es.

Selbstbehalte, Kostenbeteiligungen und Beitragsrückerstattungen seien bereits Bestandteil des Leistungsrechts in der GKV und wurden mit dem Wettbewerbs-Stärkungs-Gesetz von 2007 ausgeweitet, erinnert die Bundesbank. Deutlich wird, dass die Abschaffung der Praxisgebühr im vergangenen Jahr vor diesem Hintergrund als Fehlentscheidung eingeschätzt wird.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 22.07.201421:39 Uhr

GKV-Berechnungen: Tipps und Tricks bei der Bundesbank?

Die Deutsche Bundesbank ist in ihren Monatsberichten Garant für Verwirrung, Desinformation und Täuschung der Öffentlichkeit - zumindest was die Finanzen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) angeht.

Zur Erinnerung:
• Ärzte Zeitung (ÄZ) vom 24.09.2012 - "Bundesbank - GKV-Rücklagen nicht verfrühstücken! Die Bundesbank sieht die Rücklagen der Krankenkassen bedroht - und warnt vor ''Begehrlichkeiten der Leistungserbringer''. Kritik übt die Notenbank an der gerade erst beschlossenen Pflegereform."
http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/krankenkassen/article/822510/bundesbank-gkv-ruecklagen-nicht-verfruehstuecken.html
Dazu der von mir sehr geschätzte Kommentar von Helmut Karsch, Münster: "Dass der Bundesminister der Finanzen die Sozialversicherungsbeiträge als Teil des Gesamtsteueraufkommens betrachtet ist für sich betrachtet schon ein Stück aus dem Tollhaus."

• ÄZ vom 30.09.2013 - "Kassen-Finanzen - Bundesbank erwartet Überschuss im Gesundheitsfonds - Nach dem ersten Halbjahr weisen die Kassen ein Plus, der Gesundheitsfonds aber ein Minus von zwei Milliarden Euro aus. Die Bundesbank erwartet, dass auch der Fonds am Ende des Jahres schwarze Zahlen verbucht."
http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/krankenkassen/article/846750/kassen-finanzen-bundesbank-erwartet-ueberschuss-gesundheitsfonds.html

• ÄZ vom 02.01.2014 - "GKV - Überschuss von 27,5 Milliarden Euro errechnet - Für 2013 erwartet die Deutsche Bundesbank erneut einen GKV-Überschuss. Künftig könnten aber Zusatzbeiträge von knapp zwei Prozent drohen, schätzen Experten.
http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/krankenkassen/article/852735/gkv-ueberschuss-275-milliarden-euro-errechnet.html

• ÄZ vom 24.3.14 - "Der aktuelle Umgang mit dem Bundeszuschuss zur GKV lehrt aus Sicht der Bundesbank, dass Skepsis angebracht ist. Im laufenden Jahr stellt der Bund lediglich 10,5 statt der eigentlich vorgesehenen 14 Milliarden Euro als Zuschuss zur Verfügung, im kommenden Jahr sollen es dann 11,5 Milliarden Euro sein. - Überschüsse wecken Begehrlichkeiten"
http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/pflege/article/857649/pflegereform-bundesbank-haelt-vorsorgefonds-staatsregie.html

Völlige Verwirrung herrscht im aktuellen Monatsbericht der Bundesbank: Statt zu kritisieren, dass mit dem Haushaltsbegleitgesetz, mit dem der Bundestag über den Bundeshaushalt und unter Enteignung von GKV-Beitragszahlungen beschlossen hat, den Steuerzuschuss zu U n g u n s t e n der GKV um 3,5 Milliarden von 14 auf 10,5 Milliarden Euro zu senken, hängt man sich in der privat versicherten "Beamten-Hochburg-Bundesbank" daran auf, dass die Abschaffung der Praxisgebühr im vergangenen Jahr das eigentliche Desaster gewesen sei.

Doch bei einem Kostenumfang von etwa 2 Milliarden Euro, den die Praxisgebühr in ihrem neunjährigen Bestehen jährlich ausschließlich und diskriminierend die e r k r a n k t e n GKV-Mitglieder gekostet hatte, ist dies bei einem jährlichen GKV-Gesamtvolumen an Ausgaben von ca. 180 Milliarden Euro nur eine Marginalie.

Blanke Naivität und illusionäre Verkennung zeichnet die Bundesbank bei ihrem vorgeschlagenen Systemwechsel aus:
• Patienten sollten Informationen über ihre krankheitsbedingten Behandlungen und Kosten erhalten, als ob sie davon gesünder würden.
• Man wolle einen "(teilweisen) Wechsel vom Sachleistungs- zum Kostenerstattungsprinzip", obwohl GKV-Beitragszahler bereits jahrzehntelang in Vorleistung getreten sind.
• Die Abschaffung der Praxisgebühr sei als Fehlentscheidung zu brandmarken.

Da kann man sich als Hausarzt, der nunmehr fast 39 Jahre in der speziellen und allgemeinen Versorgung von GKV-Patientinnen und –Patienten tätig ist, nur noch an den Kopf fassen ob solcher naiven und weltfremden Einfältigkeit.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr. Wolfgang Bensch 22.07.201408:43 Uhr

Haltet den Dieb - oder wer zeichnet für das Defizit verantwortlich?

Natürlich waren die Milliardenüberschüsse zuvor unangenehm, weil sie in Zeiten großer Krisen der Finanzen außerhalb Deutschlands das Schnüren von Rettungspaketen noch undurchsichtiger machten und vorsichtshalber Schäuble eben mal zur Sanierung anderer Haushaltslöcher im Gesundheitswesen "aufräumte". Wie hießen die "young boys" der FDP auf dem Ministerstuhl als Ulla´s Nachfolger noch mal?
Einer von ihnen will seine guten Tipps jetzt in den USA vermarkten ... wir dürfen gespannt sein!

Carsten Windt 22.07.201407:43 Uhr

Politik kann nicht rechnen

Kaum hatten die Kassen mal ein "Plus", wurden bzw. sollten Wohltaten verteilt werden. Tatsächlich war dieses "Plus" damals deutlich geringer als der Bundeszuschuss ohne den die Kassen sonst nicht arbeiten könnten.
Jetzt steuern wir wieder auf ein "Defizit" also auf eine noch höher als geplanten Verlust hin.
Was fehlt sind Schwankungsrückstellungen und nicht Debatten wie vermeintliche Überschüsse für Wohltaten verteilt werden. Und wir müssen so ehrlich sein, dass die GKV zu keinem Zeitpunkt im "Plus" war und dass sie immer und in Zukunft deutlich mehr von Zuweisungen aus dem Steuersäckel angewiesen ist.

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