Der Gesundheitsschutz als Herzenssache

Am 7. Juni wird das Europaparlament neu gewählt. Anlass für die "Ärzte Zeitung", die deutschen EU-Gesundheitspolitiker unter die Lupe zu nehmen. Was treibt die Grünen-Politikerin Hiltrud Breyer an?

Von Petra Spielberg Veröffentlicht:

Müsste man aufgrund der Büroeinrichtung eines Europaabgeordneten auf dessen Parteizugehörigkeit schließen, fiele dies bei Hiltrud Breyer nicht schwer.

Der Raum in der achten Etage des Abgeordnetenhochhauses ist erfüllt vom Duft frischer Amaryllis. Auf dem Schreibtisch stehen drei Gläser mit Honig und die Fensterbank zieren große Grünpflanzen. Man merkt: hier arbeitet eine Abgeordnete der Grünen. Der Erhalt der Umwelt ist zugleich das Thema, das die ehemalige Umweltaktivistin Breyer in Brüssel am meisten umtreibt. In der europäischen Umweltpolitik die Weichen auch im Interesse des Gesundheits- und Verbraucherschutzes zu stellen, ist ihr eine Herzensangelegenheit.

"Achtzig Prozent der Umweltgesetzgebung wird mittlerweile in Brüssel gemacht", so die Grünen-Politikerin. "Doch der Schutz der Gewässer, die Feinstaubbelastung der Luft, die Qualität der Böden und die Artenvielfalt werden immer wieder durch Deregulierung bedroht."

Derartigen Entwicklungen sagt die 51-Jährige schon mal mit drastischen Worten den Kampf an. Breyers Pressemitteilungen sind bei den Brüsseler Journalisten aufgrund ihrer mitunter leicht überzogenen Wortwahl legendär. Dort finden sich regelmäßig Begriffe wie "Skandal", "alarmierend" oder "bestialisch". Entscheidungen, die einer "Alles-ist-Möglich-Mentalität" der Forschung Vorschub leisten könnten, stempelt die Grünen-Politikerin als "ethischen Dammbruch" ab. Schonungslos geht Breyer dabei nicht nur mit Industrieverbänden, sondern auch mit der Europäischen Kommission ins Gericht, der sie Hilflosigkeit gegenüber Lobby-Gruppen vorwirft.

Überhaupt ist die Brüsseler Behörde eine beliebte Zielscheibe für die Attacken der Grünen-Politikerin. Durchschnittlich 150 Anfragen pro Jahr schickt Breyer an die Kommission. Dabei geht es ihr vornehmlich darum, die Behörde zu ermahnen, die Balance zwischen wirtschaftlichen Interessen der EU und gemeinsamen Werten und ethischen Überzeugungen der Europäer zu wahren.

Breyer ist für ein Verbot der Patentierung des Körpers

Denn nichts wäre für die zweifache Mutter schlimmer, als wenn der Mensch durch europäische Gesetzgebung zur Ware wird. Deshalb auch setzt sich Breyer als Präsidentin der fraktionsübergreifenden Bioethik-Gruppe im Europaparlament (EP) vehement für ein Verbot der Patentierung des menschlichen Körpers oder seiner Teile ein.

Ebenso wichtig ist es ihr, die Folgen von Umweltbelastungen auf die menschliche Gesundheit möglichst klein zu halten. "Wir wissen noch gar nicht, welche neurologischen Auswirkungen CMR-Stoffe oder Nanoteilchen zum Beispiel in Kleidung, Möbeln oder kosmetischen Produkten auf die Gesundheit haben." Eine Kennzeichnungspflicht hält Breyer daher für einen Schritt in die richtige Richtung. Gleichwohl will sie sich weiterhin für ein Verbot von CMR-Stoffen (CMR für cancerogen, mutagen, reproduktionstoxisch) unter anderem in medizinischen Produkten wie Blutbeutel oder Infusionsschläuche stark machen.

Ob die Diplom-Politologin erneut ins EP einziehen wird, ist noch unsicher. Auf der Liste der deutschen Grünen für die Europawahlen steht die 51-Jährige nur auf Platz 15. Um ihr Abgeordnetenmandat behalten zu können, müssten die Grünen mehr als 11,9 Prozent der Stimmen erhalten, die sie 2004 gewinnen konnten. Für den Fall, dass es mit dem Abgeordnetenmandat im EP diesmal nicht klappen sollte, will sie ein wenig vom "Mutterschaftsurlaub" nachholen, auf den sie aufgrund ihres politischen Engagements nach der Geburt ihrer beiden Kinder weitgehend verzichtet hatte.

Hiltrud Breyer

Hiltrud Breyer wurde am 22. August 1957 in Saarbrücken geboren. Sie arbeitete zunächst als Kindergärtnerin, bevor sie auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur nachholte und anschließend Politikwissenschaften in Saarbrücken und Berlin studierte. 1979 gründete Breyer mit politisch Gleichgesinnten den saarländischen Landesverband der Grünen. Seit 1989 ist die Politikerin im Europäischen Parlament.

375 Millionen EU-Bürger zur Wahl aufgerufen

Am 7. Juni sind die Deutschen aufgerufen, ihre Abgeordneten für das Europäische Parlament zu wählen (EP). Es ist die siebte Direktwahl zum EP. 375 Millionen Menschen sind wahlberechtigt. Das EP wird dann 736 Abgeordnete aus 27 Mitgliedstaaten umfassen. Deutschland stellt 99 Politiker. In den nächsten Wochen porträtiert die "Ärzte Zeitung" deutsche Europaabgeordnete, die in den kommenden fünf Jahren auch an den gesundheitspolitischen Stellschrauben drehen wollen. (spe)

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