"Die größte Gefährdung der GKV kommt von innen"

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie sieht den "Tunnelblick auf Zusatzbeiträge" als Dialogbremse.

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FRANKFURT/MAIN (fst). Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) hat seine Forderung erneuert, der Gesetzgeber solle Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen steuerlich fördern.

Standortgebundene Unternehmen in Deutschland seien angesichts solcher Förderungsinstrumente in anderen EU-Ländern "gravierend" im Nachteil, sagte der BPI-Vorstandsvorsitzende Dr. Bernd Wegener am Dienstag bei der Jahreshauptversammlung seines Verbands in Frankfurt.

Wegener bezeichnete den BPI, der vor 60 Jahren gegründet wurde, als "lern- und konfliktfähig".

Der BPI mahnte eine veränderte Gesprächskultur im Gesundheitswesen an, die "sich ausdehnt über Krankenkassen, Ärzteschaft, Krankenhäuser bis hin zur Industrie".

Kritik an der Regierungskoalition

Vorsichtig optimistisch zeigte sich Wegener mit Blick auf Verhandlungen über Erstattungspreise, die seit Jahresbeginn zwischen Herstellern und dem GKV-Spitzenverband vorgesehen sind: "Die ersten Monate haben gezeigt: Es ist möglich, miteinander zu reden, aber wir müssen diese Gesprächskultur noch pflegen und entwickeln."

Er verband dies mit der Forderung, Arzneimittel, für die ein Erstattungspreis festgelegt wurde, sollen von der Wirtschaftlichkeitsprüfung ausgenommen werden.

Katastrophal fällt aus Sicht des BPI die Arbeitsbilanz der Regierungskoalition in der Gesundheitspolitik aus. Der Richtungsstreit gerade im vergangenen Jahr sei ein "Armutszeugnis" gewesen.

Kassen haben "Tunnelblick"

Den Kassen attestierte Wegener einen "Tunnelblick auf Zusatzbeiträge". Dieser behindere "die Gesprächsfähigkeit für Anforderungen an eine gute Arzneimittelversorgung". Die größte Gefährdung des Gesundheitssystems "kommt von innen", so das Fazit von Wegener.

Die frühere Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) prognostizierte, der Streit um die Erstattungsbeiträge für neue Arzneimittel werde sich in diesem und im kommenden Jahr "zuspitzen".

Reformbedarf beim GBA

Der vormalige Abteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium Franz Knieps sieht eine "Kulturveränderung" darin, dass Hersteller künftig mit Kassen am Verhandlungstisch sitzen. Denn die Pharmaindustrie sei früher "lediglich Zulieferer, aber kein akzeptierter Verhandlungspartner gewesen", so Knieps.

Allerdings sieht der BPI bei dem zentralen Steuerungsgremium in der GKV, dem Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA), massiven Reformbedarf. In das "Gremium vergangener Zeiten" (Wegener) müsse mehr Transparenz gebracht werden.

Wissenschaftlicher Beirat angeregt

Nötig sei dafür auch eine Fachaufsicht über den GBA durch das Bundesgesundheitsministerium. Zudem regt der Pharmaverband einen wissenschaftlichen Beirat für den GBA an. Aufgabe dieses Gremiums solle es sein, die Entscheidungen des Ausschusses "hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen Relevanz" zu überprüfen.

Verbandsintern hat der BPI die Weichen auf Kontinuität gestellt und Dr. Bernd Wegener bei der Hauptversammlung als Vorstandsvorsitzenden bestätigt. Er leitet den Verband, der über 260 Unternehmen vertritt, bereits seit dem Jahr 2000.

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