Erste Klinik für PC-Junkies

Wenn der Computer zur Sucht wird, ist es immer noch schwierig, Hilfe zu finden. Eine Klinik in Bad Bramstedt macht jetzt vor, wie es geht: Sie bietet PC-Junkies eine stationäre Therapie.

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2,5 Millionen Menschen in Deutschland zeigen mittlerweile ein auffälliges und problemmatisches Nutzungsverhalten bei Computern & Co.

2,5 Millionen Menschen in Deutschland zeigen mittlerweile ein auffälliges und problemmatisches Nutzungsverhalten bei Computern & Co.

© lassedesignen / fotolia.com

BAD BRAMSTEDT (di). Viele Menschen verlieren die Kontrolle über den eigenen Umgang mit Internet, Smartphones und Tablet-PCs. Ein neues stationäres Therapiekonzept ist speziell auf pathologischen Computergebrauch ausgerichtet.

Vergleichbare Konzepte in Deutschland selten

560.000 Menschen in Deutschland gelten als internetabhängig, weitere 2,5 Millionen zeigen ein problematisches Nutzungsverhalten: Aus diesen Ergebnissen der vom Bundesgesundheitsministerium geförderten Studie "Prävalenz der Internetabhängigkeit" (PINTA 1) der Universitäten Lübeck und Greifswald und aus dem Beschwerdebildern der eigenen Patienten hat die Schön Klinik Bad Bramstedt Konsequenzen gezogen.

Sie hat die nach eigenen Angaben bundesweit erste stationäre Krankenhausbehandlung mit einem störungsspezifischen Therapiekonzept für diese Patientengruppe geschaffen.

Vergleichbare Behandlungskonzepte sind in Deutschland noch selten, obwohl die Gruppe der Betroffenen wächst und die Risiken durch neue Medien steigen.

Kein Angebot für Jugendliche

Das neue Therapieangebot in Bad Bramstedt richtet sich an volljährige Patienten, die ihren Computer bis zum Kontrollverlust nutzen und durch Begleitprobleme wie Verwahrlosung, Angststörungen, ADHS oder Essstörungen belastet sind.

Ein interdisziplinäres Team aus Ärzten, Psychologen und Fachtherapeuten erstellt für diese Patienten individuelle Behandlungspläne.

Soziale Kontakte werden gefördert

Dabei wird unter anderem versucht, Aktivitäten außerhalb der virtuellen Welt positiv zu erleben und soziale Kontakte zu fördern. Dazu zählen neben problemzentrierten Gesprächen in Gruppen auch gemeinsames Essen, Sport und Freizeit.

Ziel ist ein kontrollierter Umgang, ein Computerverbot wird nicht angestrebt. "Ein völliger Verzicht auf Internet und Co ist bei unseren heutigen Lebensverhältnissen unrealistisch", sagte Dr. Tim Aalderink, leitender Psychologe in Bad Bramstedt.

Therapeuten und Patienten arbeiten gemeinsam an Strategien

Deshalb arbeiten Therapeuten und Patienten gemeinsam an Strategien zum künftigen Umgang. So wird etwa empfohlen, ausuferndes Surfen zu begrenzen, indem Betroffene vor dem Einschalten aufschreiben, wonach sie im Internet suchen und diese Punkte dann gezielt abarbeiten.

Vor der stationären Aufnahme raten die Klinikexperten Betroffenen zum Gespräch mit einem niedergelassenen Arzt. Wenn dieser eine Einweisung für angezeigt hält, erstellt die Klinik in einem ambulanten Vorgespräch eine Differenzialdiagnose.

Erste Ergebnisse über die Behandlungen will die Klinik in einem halben Jahr vorlegen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Internetsucht muss erkannt werden

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