Ab wann soll Ausschlussfrist greifen?

EuGH-Rechtsgutachterin will Klagemöglichkeit bei Impfschäden erweitern

Vor dem Europäischen Gerichtshof geht es um die Klage-Ausschlussfrist von zehn Jahren bei Impfschäden. Die Generalanwältin empfiehlt den Richtern, bei schleichenden Krankheiten diese zugunsten der Betroffenen zu verändern.

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Luxemburg. Eine einflussreiche Rechtsgutachterin beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) will die Klagemöglichkeiten bei Impfschäden erweitern. Nach ihren am Donnerstag in Luxemburg vorgelegten sogenannten Schlussanträgen sollen Klagen auch noch nach mehr als zehn Jahren möglich sein, wenn erst dann die Folgeschäden endgültig feststehen.

Für das im Herbst erwartete Urteil ist dieser Vortrag der Generalanwältin nicht verbindlich. Die Richter folgen den Schlussanträgen aber in den allermeisten Fällen.

Die Klägerin aus Frankreich hatte 2003 eine Auffrischungsimpfung mit Revaxis® gegen Diphtherie, Tetanus und Poliomyelitis erhalten. Ab 2004 trat bei ihr eine Reihe anhaltender Beschwerden auf, die nach einer Muskelbiopsie im Jahr 2008 einem im Impfstoff enthaltenen Bestandteil zugeordnet wurden.

Zustand stabilisierte sich erst nach 12 Jahren

Erst 2016 hatte sich nach einem ärztlichen Gutachten der Zustand der Frau stabilisiert; eine Verschlimmerung war danach nicht mehr zu erwarten. Sie verklagte nun den Hersteller Sanofi Pasteur auf Schadenersatz. In erster Instanz berief sich Sanofi erfolgreich auf Verjährung.

Mit Fragen zur Produkthaftungsrichtlinie legte das Berufungsgericht in Rouen den Streit dem EuGH vor. Diese Richtlinie sieht eine Klagefrist von drei Jahren ab Kenntnis des Schadens vor, zudem eine Klage-Ausschlussfrist von zehn Jahren ab Verkauf beziehungsweise „Inverkehrbringen“ des Produkts.

Besonderheit „schleichender Krankheiten“

EuGH-Generalanwältin Laila Medina betonte nun, dass hier die Besonderheiten schleichender beziehungsweise progressiver Krankheiten berücksichtigt werden müssten. Denn erst, wenn sich eine solche Erkrankung stabilisiert hat, stünden die Schäden endgültig fest. Wie der Streitfall zeige, könne dies mehr als zehn Jahre dauern.

Eine generelle „unbedingte Anwendung“ der Ausschlussfrist sei in solchen Fällen daher unvereinbar mit dem in der EU-Grundrechtecharta verankerten „Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf“. Deshalb müssten Betroffene unabhängig von der Ausschlussfrist ab Kenntnis einer Stabilisierung ihrer vermuteten Folgeerkrankung immer noch drei Jahre Zeit für eine Klage gegen den Impfstoffhersteller haben. (mwo

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