Forscher warnen vor Folgen steter Kostenkontrolle

NEU-ISENBURG (fst). Ärzte werden immer häufiger mit Zahlen über Kosten und Nutzen ihrer Arbeit und einzelner medizinischer Eingriffe konfrontiert. Das kann die Qualität und Produktivität der ärztlichen Arbeit senken oder sogar die Kosten erhöhen, warnen Wissenschaftler.

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Dazu verweisen die Harvard-Mediziner Pamela Hartzband und Jerome Groopman auf Ergebnisse der Verhaltensforschung. Eine stärkere Selbstbezogenheit und geringere Kollegialität seien die Folge, wenn Arbeitsabläufe mit einem "Preisschild" versehen werden. Das, vermuten die beiden Forscher, gelte auch für ärztliches Handeln. Leben Menschen in einer Umwelt, die sie nur durch geldwerte Anreize zum Handeln stimuliert, dann "sind sie weniger bereit, sich in den Dienst derer zu stellen, die Hilfe brauchen" (New England Journal of Medicine 360; 2).

Diese Thesen widersprechen den traditionellen Annahmen von Gesundheitsökonomen. Führt man Ärzten die Kosten ihrer Arbeit und der von ihnen veranlassten Untersuchungen vor Augen, dann erhöht dies die Effizienz und fördert die Kostenkontrolle - so die landläufige Annahme. Die Risiken und Nebenwirkungen einer durchökonomisierten Medizin sind aber groß, schreiben die Forscher: "Viele Ärzte sind durch das erbarmungslose ‚Bepreisen‘ aller Tätigkeiten so entfremdet und genervt von ihrem Job, dass sie keine Lust haben, mehr zu tun als für das Erreichen der ökonomischen Ziele nötig ist." Werden ärztliche Behandlung und Versorgung als ein beliebiges Geschäft angesehen, dann drohe dies zentrale Aspekte des ärztlichen Ethos‘ zu zerstören.

Selbstverständlich sollten Ärzte angemessen bezahlt werden, fordern die Forscher. Aber Geld sei "bisher nicht die zentrale Antriebsquelle ärztlicher Arbeit gewesen". Gute Versorgung erfordere Kollegialität und Teamwork -  Tugenden, die in einer nur von Geschäftsinteresse bestimmten Umwelt untergraben werden.

Die Bundesärztekammer hat im Jahr 2007 Hinweise für den "Umgang mit der Ökonomisierung des Gesundheitswesens" gegeben. Darin betont die BÄK den herausragenden Stellenwert der ärztlichen Unabhängigkeit. Nötig sei es in der mehr und mehr marktwirtschaftlich geprägten Gesundheitsbranche, die Grenze zu bestimmen zwischen den "unverzichtbaren Anforderungen an ärztliche Unabhängigkeit einerseits und zulässigen verhaltenslenkenden Anreizen andererseits".

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