Vor dem zweiten Wahlgang

Frankreich: Arzt droht mit Praxisschließung, wenn der RN in seinem Wahlkreis gewinnt

Die politischen Lager sind bei den französischen Ärzten gespalten wie in der Gesamtbevölkerung. Einige zeigen auch bei ihrer Arbeit klare Haltung.

Denis Durand de BousingenVon Denis Durand de Bousingen Veröffentlicht:
Am Sonntag steht in Frankreich der zweite Wahlgang an.

Am Sonntag steht in Frankreich der zweite Wahlgang an.

© Artur Widak / NurPhoto / picture alliance

Straßburg. In Frankreich werden immer mehr Ärzte aktiv, um am kommenden Sonntag eine absolute Mehrheit des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN) im Parlament zu verhindern. Gleichzeitig findet der RN aber auch in der Ärzteschaft immer mehr Anhänger und Wähler.

So sollen laut einer Umfrage der Zeitungen „Le Figaro“ und „Le Quotidien du Médecin“ gut 20 Prozent aller Hausärzte im ersten Wahlgang für den RN gestimmt haben. Eine historische Zunahme, die vor allem zulasten des bürgerlich-liberalen pro Macron Bündnisses „Ensemble“ ging. Dagegen fand das linke Bündnis „Nouveau Front Populaire“ und vor allem die linksradikale „La France Insoumise“ wenig Unterstützung bei niedergelassenen Ärzten, allerdings etwas mehr bei Krankenhausärzten.

Unter den 40 Ärzten, die am 30. Juni im ersten Wahlgang kandidierten, sind zwölf bereits aus dem Rennen. Unter ihnen auch der ehemalige Haushaltsminister Dr. Jérôme Cahuzac. Der liberale Krankenhauschirurg Professor Philippe Juvin aus Paris, und der Hausarzt Thierry Frappé, der für den RN in Nordfrankreich kandidierte, kamen dagegen schon im ersten Wahlgang durch.

Gute Erfolgschancen im zweiten Wahlgang haben drei weitere Ärzte, die für den RN antreten. Vor allem Dr. Joëlle Mélin aus Aubagne bei Marseille. Die 74 Jahre alte Hausärztin gilt seit mehr als 30 Jahren als die Gesundheitsexpertin ihrer Partei und plädiert für eine ultraliberale Version des Gesundheitswesens. Sie spricht sich unter anderem für eine Ausweitung der Niederlassungsfreiheit von Ärzten aus und lehnt die Delegation ärztlicher Leistungen an andere Heilberufler strikt ab.

Bei einem Sieg des RN dürfte sie auf einen Ministerposten in der neuen Regierung hoffen. Die 26 anderen Ärztinnen und Ärzte werden bis zur Stichwahl am Sonntag warten müssen, um zu erfahren, ob sie ins Parlament einziehen oder nicht. Das gilt auch für nicht weniger als vier der letzten sieben Gesundheitsminister, die seit April 2022 dieses Amt innehatten.

Viele junge Ärzte warnen vor Erfolg der Rechtsextremen

Zu den starken RN-Gegnern gehören viele Ärzteorganisationen, die sich mit Appellen und Warnungen vor allem in den Medien zu Wort melden. Neben humanitären und Menschenrechtsorganisationen, unter anderen die Vereinigung „Médecins du Monde“, haben sich kürzlich die Verbände der jungen Krankenhausärzte sowie der Praktikanten vor den Gefahren bei einem Wahlsieg des RN für das Gesundheitswesen sowie für die gesamte Demokratie geäußert.

Einige Ärzte wollen individuell oder gemeinsam noch weiter gehen, was zu lebhaften Streitigkeiten in Online- und Printmedien geführt hat. So hat der in der Normandie praktizierende Hausarzt Dr. Stéphane Esnaut, der seit 30 Jahren in dem kleinen Dorf Saint Martin des Besaces im Département Calvados tätig ist, seine Patienten informiert, dass er wegen der besonders hohen Zahl von RN Wählern in seinem Kreis nicht mehr in der Lage sein wird, die dortige Bevölkerung weiter zu versorgen.

„Ich will rechtsradikale und rassistische Patienten nicht behandeln und bitte die Dorfbewohner, bei der Stichwahl anders als letzten Sonntag zu wählen, ansonsten werde ich meine Praxis endgültig schließen“, schrieb er an seine Haustür. Das hat zu heftigen Reaktionen auch in der Ärzteschaftgeführt. Einige begrüßten Esnauts Entscheidung, andere hielten sie für eine inakzeptabel Erpressung der Patienten oder einfach für eine völlig unangemessene Haltung.

Klare Ansage auf dem Anrufbeantworter

Wer in den vergangenen Tagen den niedergelassenen Straßburger Psychiater Dr. Georges Yoram Federmann anruft, bekommt eine Telefonnachricht, in der er vor den Gefahren des RN warnt und eine Wahl der Linkspartei LFI empfiehlt. Natürlich werde ich alle Patienten weiter behandeln, egal wen sie wählen, sagt er, aber eine Machtübernahme des RN würde auch die medizinische Versorgung dramatisch verschlechtern, so Federmann.

Wir Ärzte können nicht akzeptieren, dass viele Ausländer künftig nur noch eine Minimalversorgung bekommen sollen, auch deswegen werden viele von uns ab der nächsten Woche aktiven Widerstand gegen eine mögliche RN-Regierung leisten, kündigt er an. „RN und gute Medizin sind einfach nicht vereinbar“, fasst der Arzt seine Botschaft zusammen. Er kämpft seit mehr als 30 Jahren gegen le Pen und steht auf der Seite der Migranten steht.

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