Fünf-Märkte-Konzept gegen den Ärztemangel

Bei der Planung von Arzthäusern auf dem Land sollten sich Gemeinden am Einzelhandel orientieren, schlägt der rheinland-pfälzische Kammerchef Frieder Hessenauer vor.

Christiane BadenbergVon Christiane Badenberg Veröffentlicht:

MAINZ. Wie ist der bereits akute oder in manchen Regionen noch drohenden Ärztemangel in den Griff zu bekommen? Darüber machen sich viele Ärzte und Gesundheitspolitiker seit geraumer Zeit Gedanken.

Jetzt ist der Präsident der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz, Professor Frieder Hessenauer, mit einem neuen Vorschlag an die Öffentlichkeit gegangen, dem sogenannten "Fünf-Märkte Konzept". Hessenauer nimmt sich dabei den Einzelhandel zum Vorbild.

Vorbild sind Einkaufszentren in ländlichen Gebieten

"Auf das Märkte-Konzept setzt die Wirtschaft bei Einkaufszentren gerade in ländlichen Regionen schon seit vielen Jahren", sagt Hessenauer im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung". So sei oft zu sehen, dass sich am Gemeinde- oder Stadtrand in einem kleinen Gewerbegebiet eine bestimmte Zahl von Geschäften ansiedle.

Dazu zählten zum Beispiel zwei Discounter, ein Supermarkt, der auch Markenartikel vertreibe, ein Drogeriemarkt und meistens auch noch eine Textilwarenkette. Diese Standorte seien mit Bedacht ausgewählt.

Sie sind für eine Vielzahl von Menschen gut erreichbar, verfügen über viel Parkraum und sind meistens an den öffentlichen Personennahverkehr angebunden. Diese Geschäftszentren würden nur dort errichtet, wo eine Vorabanalyse gezeigt habe, dass sich eine Investition auch rentiere, weil Angebot und Nachfrage zusammenpassen.

Arzthaus als fünter Partner in Geschäftszentren

Hessenauer schwebt vor, dass Ärzte von diesen Erfahrungen profitieren sollten und sich sozusagen als fünfter Partner zum Beispiel mit einem Arzthaus, bei diesen Ansiedlungen anschließen könnten.

Er glaubt, dass ärztliche Angebote an so einem Standort gut angenommen würden, weil die Menschen vor Ort das Gebiet kennen, ohnehin regelmäßig aufsuchen und es auch noch gut erreichbar sei.

Wer Träger so eines Arzthauses sein soll, das will Hessenauer dabei nicht festschreiben. "Die Trägerschaft kann bei Ärzten, Städten oder Gemeinden liegen", schlägt der Kammerpräsident vor. Viele ländliche Gemeinden hätten längst begriffen, dass eine gute ärztliche Versorgung ein erheblicher Standortfaktor sei. "Eine Gemeinde ohne Arzt vor Ort wird unattraktiv für die Bürger", sagt Hessenauer.

Kammerpräsident hat konkrete Vorstellungen zur Ausstattung

Der Kammerpräsident hat schon konkrete Vorstellungen, wie so ein Arzthaus aussehen könnte. Es soll am Eingang einen Empfang und ein Notfallcenter haben.

Daran schließen sich der Wartebereich und einzelne Sprechzimmer an, im hinteren Teil sollten die Behandlungsräume sein. Diese Behandlungsräume würde Hessenauer gerne mit einer Grundausstattung versehen, zu der unter anderem ein Belastungs-EKG, ein Ultraschall, HNO- und augenärztliche Untersuchungsplätze sowie ein gynäkologischer Stuhl gehören sollte.

Räume und Personal sollten von allen Ärzten gemeinsam genutzt werden. Ob es sich dabei um eine Praxisgemeinschaft oder eine Gemeinschaftspraxis handle oder nur um ein Haus mit mehreren Praxen, das findet der Kammerchef nicht so wichtig.

"Es kommt darauf an, dass der logistische Vorteil und die Synergieeffekte genutzt werden", erklärt Hessenauer. Um neben der allgemeinmedizinischen auch eine Facharztversorgung anbieten zu können, sieht sein Konzept stundenweise Sprechstunden der Spezialisten in dem Arzthaus vor.

Vorteil: große Flexibilität für Ärzte

Für Hessenauer liegen die Vorteile seines Konzepts unter anderem in der Flexibilität. So könnten in einer solchen Konstellation Ärzte mit ganz unterschiedlichen Ansprüchen an ihren Beruf gut miteinander kooperieren.

Zum Beispiel könnte ein Arzt oder eine Ärztin sich auf Hausbesuche konzentrieren, weil diese zeitlich flexibel absolviert werden können und so gut ins Familienleben zu integrieren seien.

Außerdem sei es mit seinem Fünf-Märkte-Konzept relativ leicht, den Standort zu wechseln, denn die Ärzte würden im Falle eines Umzugs nicht das wirtschaftliche Risiko eines Praxisverkaufs tragen.

Im Prinzip schwebt dem Kammerpräsidenten eine Art Pfarrhauskonzept vor. Wenn der Pfarrer mit seiner Familie in eine neue Gemeinde kommt, ist für ihn alles vorbereitet, inklusive einer geeigneten Unterkunft.

Wenn er nach einigen Jahren die Pfarrstelle wechselt, hinterlässt er im günstigen Fall ein eingespieltes Team, gerät aber wegen seines Standortwechsels nicht in wirtschaftliche Schwierigkeiten.

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