GMK-Vorsitzende Christine Lieberknecht: "Wahljahr soll kein verschenktes Jahr sein!"

Die Thüringer Gesundheitsministerin Christine Lieberknecht sitzt im Jahr 2009 der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) vor. Das Thema Prävention steht vorne auf der Agenda: Sie tritt bei der Frage der Finanzierung für eine Einigung zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherungskassen ein.

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Die Fragen stellte Rebecca Beerheide

Ärzte Zeitung: Frau Lieberknecht, Sie sind in einem spannenden Jahr die Vorsitzende der GMK: 2009 ist ein Jahr der Umbrüche im Gesundheitswesen und es ist ein "Superwahljahr", auch für Sie steht eine Landtagswahl an. Was erwarten Sie für Ihren GMK-Vorsitz bei diesem bewegten Umfeld?

Lieberknecht: In der Tat haben wir gesundheitspolitisch bewegte Zeiten. Pflichtaufgabe ist es, die Wirkmechanismen des Gesundheitsfonds im Blick zu behalten. Nach wie vor ist in den Ländern die Krankenhausfinanzierung ein wichtiges Thema. Wir sind nach den Entscheidungen aus dem vergangenen Jahr nun mit dem Gesetzgebungsverfahren beschäftigt. Eine eher gestalterische Aufgabe ist für mich der Bereich der Prävention. Die vorhandenen Ressourcen müssen gebündelt und optimal genutzt werden. Das ist eine spannende Herausforderung, an der wir gegenwärtig im Rahmen des Thüringer Gesundheitszieleprozesses arbeiten.

Ärzte Zeitung: Stichwort Prävention: Ein nationales Präventionsgesetz liegt seit einem Jahr auf Eis, nun ist wieder Bewegung in das Thema gekommen. Gerade bei der Finanzierung werden sich auch die Länder beteiligen müssen. Wie sieht die Position der Länder und auch der GMK aus?

Lieberknecht: Prävention ist als Schwerpunkt meiner Arbeit wichtig und unverzichtbar. Die Thüringer Landesregierung und ich stehen deswegen einem Präventionsgesetz positiv gegenüber. Ich habe mich auch entsprechend auf der GMK geäußert. Als problematisch hat sich gezeigt, dass das Gesetz einen gemeinsamen Fonds der Sozialversicherungskassen vorsieht, über dessen Verwendung die Präventionsräte der Länder beziehungsweise der Präventionsrat des Bundes entscheidet. In diesen Präventionsräten haben auch Bund, Länder und Kommunen ein Mitbestimmungsrecht. Darin sehen die Kassen einen Eingriff in ihre Finanzhoheit und haben dementsprechend bisher Widerstand geleistet.

Ärzte Zeitung: Wenn es nun nicht zu einem Gesetz auf Bundesebene kommt, würden die Länder mit einer eigenen Gesetzesinitiative das Thema Prävention voran bringen?

Lieberknecht: Die Länder haben -wie wir in Thüringen mit dem Gesundheitszieleprozess - schon vieles im Bereich Prävention verbindlich verankert. Hier sind auch viele Ehrenamtliche engagiert. In jedem Bundesland wird an einer präventiven Struktur gearbeitet. Aber mit einem Gesetz gäbe es eine andere Legitimation und die Bemühungen würden so auf eine verbindlichere Basis gestellt.

Ärzte Zeitung: Präventionsangebote werden ja oft von unterschiedlichen Partnern finanziert. Die Finanzierung der Angebote ist auch ein Streitpunkt bei dem Bundesgesetz.

Lieberknecht: Das Präventionsgesetz ist ein Gesetz, das die Zusammenarbeit der Sozialversicherungskassen untereinander und mit Bund, Ländern und Kommunen verbessern soll. Dazu gehören gemeinsame Ziele, gemeinsame Qualitätsstandards für die vorgesehenen Maßnahmen und eine gemeinsame Finanzierung. Es soll dazu dienen, Präventionsleistungen verbindlich im Sozialgesetzbuch, das die Arbeit der Kassen regelt, zu verankern.

Ärzte Zeitung: Ein weiteres wichtiges Thema ist der Hausärztemangel. Sie kennen das Problem als Ministerin in Thüringen sehr genau. Welche Impulse können Sie der GMK geben, um die Unterversorgung, die auch in anderen Ländern besteht oder kommen wird, zu verbessern?

Lieberknecht: In Thüringen fehlen derzeitig 111 Hausärzte, das Problem ist also bereits akut. Sicherlich war einer der Gründe für den Hausärztemangel die deutlich niedrigere ärztliche Vergütung in den neuen Bundesländern. Dieses Ost-West-Gefälle wird erfreulicherweise, und dies insbesondere auch Dank des Einsatzes von Thüringen, mit den Regelungen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes überwunden. Eine unterschiedliche Vergütung für die gleiche erbrachte Leistung wird zukünftig nicht mehr der Grund für junge Ärzte sein, sich gegen Thüringen zu entscheiden. Grundsätzlich aber müssen wir dafür sorgen, dass der Hausarztberuf in Deutschland wieder attraktiver gemacht wird und ein hohes Ansehen genießt. Bereits bei unseren angehenden Medizinern müssen wir das Interesse für eine hausärztliche Tätigkeit wecken. Auch die Entlastung der Hausärzte durch qualifizierte Fachkräfte, wie in einigen neuen Bundesländern beispielsweise durch das Modellprojekt "AGnES" erfolgreich erprobt, wird helfen, sich für eine hausärztliche Tätigkeit wieder leichter zu entscheiden. Auch wenn Thüringen an dem Projekt nicht teilgenommen hat, habe ich es doch mit Interesse verfolgt. Das Projekt hat gezeigt, dass die Übertragung geeigneter medizinischer Aufgaben zu spürbaren Entlastungen führt und der Arzt sich dadurch wieder verstärkt auf seine ärztlichen Kernaufgaben konzentrieren kann. Man muss nun sehen, wie man das Modell in eine Regelfinanzierung überführen kann.

Ärzte Zeitung: Wie sieht es Ihrer Einschätzung nach am Ende dieses Umbruchsjahres in der Gesundheitspolitik und in der GMK aus? Was wurde wie vorangetrieben?

Lieberknecht: Wir werden in diesem Wahljahr nicht die großen gesetzgeberischen Maßnahmen vorantreiben können. Aber wir werden zur noch stärkeren Implementierung wichtiger Themen, wie die Prävention, der Gesundheitszieleprozess oder Fragen der medizinischen Versorgung in die gesellschaftliche Debatte einen wichtigen Beitrag leisten können. Daran sollte uns auch ein Wahljahr nicht hindern. Es wird also kein verschenktes Jahr sein.

Christine Lieberknecht (CDU)

Eine unterschiedliche Vergütung für die gleiche erbrachte Leistung wird zukünftig nicht mehr der Grund für junge Ärzte sein, sich gegen Thüringen zu entscheiden.

Gesundheitsministerin von Thüringen und GMK-Vorsitzende Christine Lieberknecht (CDU)

Dieses Foto zeigt sie als Landtagspräsidentin im Jahr 2003.

Christine Lieberknecht (50) stammt aus einer Pastorenfamilie und war selbst bis 1990 Pastorin im Kirchenkreis Weimar. Seit 1991 sitzt sie im Thüringer Landtag. Zunächst war sie Kultusministerin, dann Ministerin für Bundes- und Europa-Angelegenheiten. Zwischen 1999 und 2004 war sie Präsidentin des Thüringer Landtages, bis 2008 saß sie der CDU-Fraktion vor. Seit Mai 2008 ist sie Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit. (bee)

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